Talentfreier Autor sucht Talent

Wenn Amateure sich der Öffentlichkeit stellen, um die Ergebnisse ihres kreativen Prozesses zu präsentieren, kann es zu einem jähen Erwachen kommen. Für meinen Roman „der ewige Kreislauf“, dessen Überarbeitung ich mehrfach in meinem Blog zum Thema gemacht habe, hatte ich im Frühjahr Testleser gesucht. Da ich bei meinem letzten Romanprojekt mich in eine Sackgasse geschrieben hatte, suchte ich nach Inspiration und Auswegen.
Selbstreflektion stiftet Verwirrung. Profis werden an der Überwindung der Verwirrung wachsen. Amateure kämpfen jedes Mal erneut um ihre Daseinsberechtigung.
Eine Strategie des Amateurs ist es, einfach so zu tun, als sei er ein begnadeter Autor. Er überspielt seine Unsicherheit oft mit einer überheblichen Arroganz. Er berichtet in hymnischen Euphemismen von seinem besten Buch, das er nun bei Amazon für 5,99 EUR veröffentlicht hat. Liest man die erste Seite des vom Autor angepriesenen Werkes, stolpert man sofort über Rechtsschreib- und Logikfehler. Der Autor degradiert sich selbst zum Hochstapler.
So wollte ich nie sein. Wahrscheinlich schreibe ich deshalb einen Blog, in denen ich allzu gerne meine mittelmäßigen Fähigkeiten zur Schau stelle. Vielleicht auch eine Art der Kompensation….
Also habe ich es mir selbst gegeben, TestleserInnen gesucht und drei Personen gefunden. Ich hatte schon bei der Ausschreibung ein schlechtes Gefühl. Insgeheim suchte ich die Bestätigung für meine eigene Einschätzung, die ich vor mir gern selbst geheim gehalten habe. Eigentlich war es eindeutig: Für den ewigen Kreislauf werde ich niemals den Nobelpreis für Literatur erhalten. (Ich gebe es zu: jeden Oktober sitze ich immer in der Nähe unseres Festnetzapparates…wenn die Schweden sich vielleicht mal verwählen!)
Das Urteil der TestleserInnen war vernichtend. Es gab viel Kritik und wenig Lob und natürlich könnte ich jetzt behaupten, dass die Testleser keine Ahnung haben und mich mit ihnen streiten. Machen viele Dilettanten nur zu gerne: Sie verschwenden ihre Zeit mit einen Disput, der nur ihre Leberwurstigkeit offenbart.
Natürlich werden die TestleserInnen in ihrem Urteil durch den eigenen Geschmack beeinflusst, der manchmal sehr tendenziös sein kann. Jemand, der gerne Krimis liest und sich nur in diesem Genre bewegt, wird mit einem tiefgründigen und verschrobenen Text im Stile eines Thomas Bernhard nichts anfangen können (das heißt jetzt nicht, dass ich mit meinem Roman in diese Kerbe hauen wollte. Das wäre auch nichts geworden. Wahrscheinlich hätte ich mir dabei einen Finger abgehackt.)
Daher ist es immer gut, wenn mehrere Testleser das Werk begutachten. Es hilft dem Autor, den Eigengeschmack des Lesers aus dem Urteil herauszufiltern und sich auf die Gemeinsamkeiten der einzelnen Gutachten zu konzentrieren. Wenn zwei oder drei Leser die gleichen Themen ansprechen, bemängeln oder auch gut finden, gibt es dem Autor eine gewisse Sicherheit und die Möglichkeit an den Stärken weiter zu arbeiten und die Schwächen auszumerzen.
Ich bin als Autor auf die Ehrlichkeit der Testleser angewiesen. Die Neigung zu Gefälligkeitsurteilen ist sehr menschlich. Man will ja nicht auf jemanden draufhauen, der sich anscheinend viel Mühe gegeben hat. Bei Testlesern aus dem eigenen Freundeskreis habe ich keine guten Erfahrungen gemacht. Oft erlebt man das Hinauszögern der Lektüre, ständiges Herausreden oder plakative Aussagen. Man will ja die Freundschaft nicht gefährden.
„Toller Roman! Klasse Text! Knüller!“
„Was hat dir besonders gut gefallen?“
„Äh, die Handlung.“
„Gell, dass Ende ist sehr gut.“
„Äh, ja natürlich.“
Spätestens bei solchen Aussagen weiß der Autor, dass der Freund oder die Freundin, das Manuskript nur mit der Kneifzange angefasst hat und zwar um es in den Mülleimer zu werfen.
Hier treffen unausgesprochene Befürchtungen und Eitelkeiten aufeinander, die man mit Ehrlichkeit und Offenheit leicht aus der Welt schaffen könnte.
Ich wollte ein ehrliches Urteil und habe es erhalten. Für ein paar Minuten fühlte ich mich in der Sackgasse, in der ich mich schon befand, an die Wand gedrückt. Ich holte tief Luft und hatte das Gefühl, in einer anderen Welt aufzuwachen.
Nachdem ich die schlechten Nachrichten verdaut hatte, führte ich ein langes Gespräch mit meiner Frau. Meine schärfste Kritikerin ist nun einmal mein Guru, mein Krafttier, mein Buddha, Marjorie, die allwissende Müllhalde und die Mutter dreier meiner Kinder in einer Person.
Nachdem sie die Urteile der anderen Testleser mit einem stillen Nicken bestätigte, stellte ich ihr die Fragen aller Fragen:
„Soll ich weiter schreiben? Das bringt doch nichts?“
Sie antwortete weise und klar:
„Viele Leute machen ganz andere Dinge, die nichts bringen und nennen es Hobby. Wenn es dir Spaß und Freude bereitet, schreib weiter.“
Wahrscheinlich sind wir im kapitalistischen Sinne viel zu sehr darauf aus, ein sichtbares Ergebnis zu erzielen. Bücher müssen verlegt werden, verkauft werden und auf Bestsellerlisten landen. Wir schöpfen nicht unsere kreativen Möglichkeiten aus, wenn wir in Ertragskategorien denken.
Ich habe nur kurz nachgedacht und für mich festgestellt, dass ich auch ohne Leser einfach Freude daran habe, in der Sonne an meinem Platz im Garten zu sitzen und an langen Texten zu feilen. Resonanz zu bekommen, egal in welcher Form, hält mein Schreibprozess am Laufen. Also habe ich mich hingesetzt und überlegt, was ich aus der Kritik meiner Testleser für das nächste Projekt mitnehmen kann und habe eine Liste mit Hinweisen notiert, die ich von nun an immer beim Schreiben im Blick haben möchte:

  1. Nicht so viel in eine Geschichte reinpacken. Weniger ist mehr.
  2. Die Glaubwürdigkeit meiner Figuren und ihrer Handlungen im Blick haben.
  3. Der Anfang einer Geschichte muss zum Weiterlesen animieren.
  4. Gute und echte Dialoge und keine indirekte Rede verwenden.
  5. Weniger Adjektive.
  6. Meine Figuren wollen von mir geliebt werden.
  7. Ich hole mir in einem früheren Stadium des Schreibprozesses eine zweite Meinung.

Und so mache ich weiter, bis mir das Talent doch noch auf die Füße fällt (Autsch!)

13 Gedanken zu “Talentfreier Autor sucht Talent

  1. „Profis werden an der Überwindung der Verwirrung wachsen. Amateure kämpfen jedes Mal erneut um ihre Daseinsberechtigung.“

    Du hast gezielt, du hast getroffen.

  2. Hab so viel Freude wie möglich! Wär zu schade sonst. Ich kenn Dein Werk nicht, kann dazu nix beitragen. Aber ich selbst hege tatsächlich nur Spaß haben und behalten als Anspruch für meinen Blog und kann so ungeniert aufspielen. Treibe befreit Unfug. Einigen gefällt es. Anderen nicht. Sie werden nicht festgebunden. Ich mag meinerseits auch harsche Kritik, wenn ich sie als fundiert und bemüht fair erlebe. Daran kann auch ich wachsen, egal ob als privater Schreiberling/Amateur oder als professionell arbeitender Autor/Journalist/Nicht-Schriftsteller. Ich bin da ja quasi beides. Und wenn die Nobelpreise vergeben werden, telefoniere ich einfach mit Freunden 🙂

    • Danke für die aufmunternden Worte…Befreit Unfug treiben trifft es genau…in meiner kleinen Nische fühle ich wohl und freue mich über den Zuspruch, den ich bekomme…ich nenne meinen Blog einfach einen Boutique-Blog…ist so edel und besonders, da lesen nur ganz erlesene Menschen…fühl dich angesprochen!

  3. Diese sieben Regeln würde ich einfach in den Papierkorb werfen. Dann bist Du sie los und kannst in aller Ruhe im Garten oder in der Sonne oder sonstwo schreiben wie es Dir kommt und gefällt „Die Neigung zu Gefälligkeitsurteilen ist sehr menschlich“? – Das glaube ich nicht. Personen, die Dir unbekannt sind und denen Du Deine Texte zum Lesen gibst, wollen sich eher als Kritiker aufführen damit man sie für kompetent hält. Leute aus Deinem Freundeskreis, die Dir Gefälligkeits“urteile“ oder die von Dir genannten nichtssagenden Antworten (Klasse Text! Knüller!9 liefern, kannst Du eh vergessen beziehungsweise lieber nicht mehr um Beurteilungen bitten. Im Übrigen: Hör auf Deine Frau. Und auf mich: Weg mit den sieben Regeln!

    • So ganz ohne Publikumsbefragung komme ich nicht aus und ganz ehrlich: die fremden LeserInnen waren alle sehr fair und habe sich sehr viel Mühe gegeben. Ich hatte nicht das Gefühl, irgend jemand wollte sich mit mir profilieren. Außerdem versuche ich selbst mich immer mal als Testleser für fremde Autoren und daher weiß ich, was das für ein schweres Geschäft sein kann und gerade bei fremden Menschen möchte man kein Arschloch sein. Wahrscheinlich habe ich meinen Text den falschen Freunden gegeben. Meine Frau ist für mich das Maß aller Dinge und ich hoffe für meine Frau bin ich es auch 😊. Gerne nehme ich auch deinen Rat an, wobei ich mit den Begriff Regeln relativ lange schwanger gegangen bin. Vielleicht hätte ich es als Essenz der Kritik bezeichnen sollen. Regeln klingt nach starren Anweisungen, nach denen ich mich richten muss und das will ich nicht.

    • Ich höre immer auf meine Frau! (Wird sie zwar nicht bestätigen, aber sie liest zum Glück nicht mit!) Und natürlich höre ich auf meine TestleserInnen. Vielen Dank noch einmal für dein Engagement.

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