Reihe 3, Platz 58 und 59 – Der Staat gegen Fritz Bauer Schauspiel nach dem Film von Lars Kraume

Der Staat gegen Fritz Bauer ist unser letztes Stück in dieser Spielzeit. Damit endet dieses Jahr unser Abonnement. Wir haben den Film gesehen. Endlich mal keine schwere Kost. Denn wir kennen die Handlung und es wird keine Überraschung geben. Am heutigen Abend wird es keine komplizierten Verse, verschachtelte Handlungen oder emotionales Geplärre geben. Ideal für einen Freitagabend. Die Woche war wieder anstrengend, viele Termine, viel Arbeit, wenig Pause, die Geschehnisse der Woche haben sich zwar aufgedrängt, aber es war noch keine Zeit, sie zu reflektieren. Wir sind ausnahmsweise früh dran, reservieren uns ein Tisch und zwei Gläser Wein für die Pause. Ich lese meiner Frau einen Tweet von Micky Beisenherz vor. Es geht um die Sprache der Bild. Nur nicht nachlassen Bild, schreibt Beisenherz und meint es natürlich ironisch. Nach Heiz-Polizei und Energie-Stasi drängen sich noch weitere Wortschöpfungen mit den die Bild die Empörung über die Grünen und Robert Habeck anheizen könne. Beisenherz schlägt Worte vor wie: Fernwärme-Faschisten, Thermo-Taliban und Gebäude-Energie-Gestapo. Besonders gut hat mir das Wortkompott Jute-Junta gefallen. Wir verschlucken unser Lachen. Und dann noch die Sache mit den Klima-Klebern, da wir schon bei den Wortschöpfungen der Bild sind, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. Zwei Tage zuvor gab es in Bayern und Berlin Razzien gegen Mitglieder der letzten Generation. Teile des politischen Establishments möchten gerne die jungen Aktivisten, die einfach nur wollen, dass der Staat und die Gesellschaft endlich handeln, als Kriminelle brandmarken. Angeblich haben die Politiker eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, die die Aktionen der letzten Generation nicht gutheißen, obwohl die letzte Generation weder Verfassung- noch demokratiefeindliche Ziele verfolgt, sie transparent und offen kommunizieren und sich dem gewaltlosen Widerstand verschrieben haben.

 Wir diskutieren und stellen fest, dass uns die Situation sehr stark an einige Ereignisse in der bundesrepublikanische Vergangenheit erinnert: Angefangen bei der Spiegel-Affäre, den Studentenprotesten Ende der Sechziger Jahre, bis hin zu der Kriminalisierung von RAF-Sympathisanten in Siebziger Jahren und weiter gedacht, bis zur NSU und zum Aufstieg der Rechten in den letzten zehn Jahren. Immer geht es darum, dass Politiker meinen sich durch Härte profilieren zu müssen und sich als Opfer junge Aktivisten aus dem linken Politikspektrum aussuchen, während man rechte Spießgesellen schützt, deren Taten verharmlost oder sogar nachäfft.

 Und schon sind wir bei Fritz Bauer: der mutige Generalstaatsanwalt jüdischer Herkunft, Atheist, Sozialist, wahrscheinlich homosexuell, in der Nazizeit verfolgt, war in den fünfziger und sechziger Jahre scheinbar einer der wenigen, die das Verharren ehemalige Nationalsozialisten in Schlüsselpositionen nicht ertragen konnten und Verbrecher wie Eichmann und Konsorten gedeckt haben.

 Eine der zentralen Themen in dem Stück ist die Frage, ob Fritz Bauer sich des Landesverrates schuldig macht, wenn er dem Mossad Informationen über den Aufenthaltsort von Eichmann gibt. Fritz Bauer lebt in der ständigen Angst, kriminalisiert zu werden, entweder als Landesverräter oder Homosexueller. Er trotz standhaft allen Kollegen und Politikern, die die Vergangenheit auf sich ruhen lassen wollen. Wir wissen wie die Geschichte ausgeht. Eichmann wird in Argentinien vom Mossad einkassiert und in Israel zum Tode verurteilt und hingerichtet. Damals hat der deutsche Staat keinen Auslieferungsantrag gestellt, angeblich um die beginnende Aussöhnung mit Israel nicht zu gefährden. Eine Chance, die deutsche Vergangenheit aufzuarbeiten war damit vertan. Erst ein paar Jahre später konnte mit den von Bauer initiierten Auschwitzprozessen die Lawine losgetreten werden, die der jungen Generation zum ersten Mal vor Augen führte, in welche Verbrechen ihre Eltern direkt oder indirekt verstrickt waren. Junge Menschen begannen unbequeme Fragen zu stellen und ein paar Jahre später führte es zu den Studentenprotesten und auch hier wissen wir, wie die Geschichte ausging.

 Die Aktivisten der letzten Generation mit Fritz Bauer auf eine Stufe stellen, kann nicht mein Ansinnen sein. Die Herausforderungen sind andere und auch die Vorgeschichte ist eine andere. Aber damals wie heute geht es darum, dass Politiker aus Gründen des Machterhalts oder weil sie hoffen, mit Empörung Wähler aus sich zu ziehen, keine Veränderungen zulassen und diejenigen, die nötige Veränderung anstoßen mit ungerechtfertigten Mitteln aus dem Spiel kicken wollen und dafür bereit sind, den Rechtsstaat zu missbrauchen. Hier der Landesverrat, da die kriminelle Vereinigung, schwerwiegende Straftatbestände, die für Spione und die Mafia gedacht sind und nicht für ehrenwerte Staatsanwälte und politische Aktivisten.

 Ein wichtiger Satz von Fritz Bauer, der mehrmals in dem Stück fällt, lautet: Beuge dich niemals der Tyrannei.

 Eine Überschrift wie in Stein gemeißelt. Standhaft zu bleiben kostet Lebenskraft und Zuversicht, im schlimmsten Fall das Leben. Es ist so schwer zu glauben, dass wir in einem demokratischen Land wie Deutschland, das dem Einzelnen die Einhaltung hoher rechtsstaatlicher Standards verspricht, auf der Hut sein müssen, damit die Tyrannei nicht wieder Teil des Tagesgeschäftes wird.

 Die Inszenierung und Schauspieler waren übrigens hervorragend und es war keine leichte Kost. Im Gegenteil, ein beeindruckender und bedrückender Abend, der mich zum Nachdenken angeregt hat. So soll Theater sein, aber das habe ich an dieser Stelle schon öfter geschrieben….

Stillleben Deutschland II: Der Immobilienaushang

Wir brauchen alle ein Zuhause, einen Ort an dem wir jederzeit zurückkehren können, der uns Schutz und Geborgenheit bietet. Ein Großteil der Menschen verspürt in sich die Sehnsucht nach einem von der Natur abgeschirmten Raum. Wir sind Teil der Natur und doch möchten wir nicht in ihr leben. Es muss immer eine Grenze zwischen uns und der Wildnis geben, die so unkontrollierbar und furchterregend ist, weil sie unserer Vernunft und unserem Verständnis von der Welt nicht folgen will. Und wenn wir die Natur an uns heranlassen, bauen wir einen Zaun um sie herum, zähmen sie und nennen sie Garten.

 Wir Menschen haben aus Steinen, Beton und Asphalt eine Welt in der Welt erschaffen. Wir leben in Dörfern und Städten, verwaltete und geordnete Strukturen und besitzen Immobilien, unbewegliche Güter, bestehend aus Gebäuden, Gärten, Freisitzen, Garagen, Außensaunen, Swimming-Pools, Mahnmale einer verkrusteten Zivilisation, die wenig Spielraum für etwas Neues zulässt.  

 Diese Strukturen sind nur scheinbar unveränderlich. Sind sie doch immer gefährdet. Die vereiterten Wunden der Vergangenheit schmerzen unaufhörlich und prägen unser verkrampftes Verhältnis zum Besitz. Wir krallen uns gerne an Dingen fest, horten und hamstern, teilen nicht gerne und leben in ständiger Angst, Hab und Gut von einem auf den anderen Tag zu verlieren.

Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, verbraten mehr natürliche Ressourcen als ganze Kontinente. Eine bedeutende Anzahl an Menschen erlebt einen Wohlstand, den man kaum ermessen kann. Gerade, weil sie so viel besitzen, schwelt in ihnen die Angst, dass das alles morgen verloren sein kann und man wieder nackt und schutzlos der Wildnis ausgeliefert ist.

 Der Immobilienaushang mag so harmlos wirken, hängt doch in jeder Stadt im Schaufenster eines ebenerdigen Büros, die Angebote eines Maklers, der Häuser verkaufen will. Aber er ist Ausdruck unserer Verlorenheit, die uns alle in Angst und Schrecken versetzt, wenn jemand wieder einmal eine Krise nahen sieht. Immobilienaushang und Krise sind im Gespinst kollektiver Ängste fest miteinander verwoben.

Und wie sehr das Betrachten eines Immobilienaushangs mit verworrenen und tiefen Emotionen verbunden sein kann, zeigt die Reaktion auf ein Interview mit Anton Hofreiter von den Grünen im Jahr 2021. Er sprach nur darüber, dass Einfamilienhäuser viel Fläche, viele Baustoffe und viel Energie benötigen und zur Zersiedelung beitragen. Er sprach die Wahrheit aus und kassierte einen höllischen Shitstorm, der nur dazu diente die Grünen wieder einmal als Verbotspartei darzustellen. Aber wer wird sich über einen vermeintlichen Angriff eines Grünen-Politikers auf das Herz des deutschen Selbstverständnisses, den Ausdruck seiner Bodenständigkeit so echauffieren? Wahrscheinlich nicht die junge Familie, die jeden Cent zusammenkratzen muss, um über die Runden zu kommen, obwohl beide ganztags arbeiten gehen und den Traum von der eigenen Immobilien schon lange aufgegeben haben, weil sie weder Eigenkapital zusammensparen können, noch bei einer Bank einen Kredit für solch ein schönes Einfamilienhaus im Neubaugebiet erhalten werden. Auch nicht die alleinerziehende Mutter, die mit ihrem Bürgergeld noch nicht einmal sicher ist, ob sie die Nebenkosten für ihre Mietwohnung bezahlen kann. Und auch nicht der Rentner, der Angst haben muss seine günstige Mietwohnung zu verlieren, weil irgendein Investor das Haus von seinem Vermieter gekauft hat.

Er hat die Menschen mit seiner Aussage getroffen, die mit ihren Nasen am Immobilienaushang kleben und sich überlegen, ob es nicht Sinn macht, sich noch eine zweite- oder dritte Immobilie zu kaufen, um mit einer Immobilie das ganze Vermögen zu sichern, dass man über Jahrzehnte gehamstert und angehäuft hat. Ein Dach über dem Kopf reicht vielen nicht mehr aus. Sie brauchen die Mehrzahl und egal unter wieviel Dächern sie ihre Angst verbergen, es wird niemals ausreichen, so tief sind ihre Wunden. Es sind die Menschen, die einsam zu Hause in ihrem schuldenfreien Eigenheim im Warmen sitzen und sich Abends am Fernseher die schreckliche Welt ins Wohnzimmer holen und beim Betrachten der Krisen dieser Welt schon lange verlernt haben, Mitleid zu zeigen, sondern sich immer die Frage stellen, welche Auswirkungen die Krisen auf sie und ihr Eigentum hat. Der Immobilienaushang ist ihr kleines Trostpflaster. So lange sie sich noch dort tummeln können, ist ihre sichere Welt der Immobilien noch vorhanden und nicht sie, sondern die anderen verlieren ihr Eigentum, ihre Heimat und ihr Leben.

Reihe 3, Platz 9 + 10 Der Totentanz von August Strindberg

Der Höhepunkt unseres Theaterjahrs: der Besuch einer Aufführung am Berliner Ensemble. In den letzten Jahren standen unsere Kinder an erster Stelle und der Besuch von kulturellen Veranstaltungen war immer an die Frage geknüpft, ob wir eine Betreuungsmöglichkeit finden. Wenn wir auf Städtetour gingen, gab es keine Betreuungsmöglichkeiten. Endlich sind unsere Kinder alt genug und sie konnten mal eine Stunde alleine im Hotel verbringen. Also haben wir für unseren diesjährigen Kurztrip nach Berlin den Besuch einer Theatervorstellung ohne Kinder eingeplant.

 Natürlich wollte ich mir als alter Brechtfan unbedingt eine Theatervorstellung im BE anschauen. Das alte Theater am Schiffbauerdamm ist seit 1954 Spielstätte des Berliner Ensembles, das 1949 von Bert Brecht und Helene Weigel gegründet wurde. Der Bau, am Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, nimmt im Innenraum viele Stilelemente des Barock auf und wirkt  mit dem Stuckornamenten und den vielen Gipsputten leicht überladen. An den Seiten kleben zahlreiche Logen wie Schwalbennester. Der Zuschauerraum scheint keine große Bedeutung zu haben, denn er liegt eng zwischen den Logenwänden. Man kann sich kaum vorstellen, dass Brecht dieses altmodisch vorbürgerliche Interieur mit seiner spartanischen Theaterkunst in Verbindung bringen konnte, die sich dazu doch oft um sozial benachteilige Menschen drehte.

 Mir war egal, welches Stück an dem Abend geboten wurde. Mir war wichtig, einmal im Leben in diesen heiligen Hallen zu sitzen und ein wenig von der legendären und mittlerweile etwas abgegriffenen Brechtaura abzubekommen.

 Man konnte erst vier Wochen vor Beginn der Vorstellung Karten online kaufen. Also habe ich am Beginn des Vorverkaufs vor dem Computer gesessen und  peinlich darauf geachtet wie in unserem Wohnzimmertheater in Gießen in Reihe 3 in der Mitte Plätze zu bekommen. Der Bourgeois ist ein Gewohnheitstier und deswegen immer vom Aussterben bedroht.

 Es stand der Totentanz von August Strindberg auf dem Spielplan. Ich hatte mich nicht vorbereitet und wollte unbelastet den Theaterabend genießen. Eine viertel Stunde vor Beginn der Vorstellung saßen wir auf unseren Plätzen und meine Frau löcherte mich mit Fragen zum Stück und der Inszenierung. Ich verdrehte die Augen und begann wild auf meinem Handy herum zu tippen.

 Der Totentanz ist ein typischer Strindberg. Das Ehepaar Edgar und Alice leben seit einer gefühlten Ewigkeit auf einer Quarantäneinsel alleine in einem Festungsturm und gehen sich gegenseitig auf die Nerven. Dargestellt werden Edgar und Alice von einem echten Ehepaar, Marc Oliver Schulze und Claude de Demo. Wir machen Witze über Herrn Schulze, der schon in Alarm für Cobra 11 mitgespielt hat. Na das kann ja was werden, Alarm für Cobra 11 im Berliner Ensemble. Und der Regisseur hat sich mit dem Bühnenbild an der Serie Lost orientiert. Haben wir nicht geschaut, das hat ja jeder geschaut. Der Bourgeois wird an seiner eigenen Arroganz ersticken.

 Kurz nach 18 Uhr ging das Licht aus und der Vorhang hob sich. Die Anfangsszene zeigte Alice, die mit dem Rücken zu Publikum gewandt, auf einem Friseurstuhl schlief und in ihrer Hand ein Rasiermesser hielt. Sie kam langsam zu sich und begann genüsslich mit hörbaren Kratzgeräuschen ihr in die Luft gestreckten Beinen mit dem Rasiermesser zu traktieren. Edgar ein schlaksiger und ungepflegter Bursche mit grauen, schütterem Haar und missgünstiger Miene betrat die Szene durch eine Schleuse, wie man sie aus Weltraumfilmen kennt. Der erste Dialog bestand aus den üblichen Floskeln alter Ehepaare und ging nahtlos in den ersten Streit über. Es ging um Enttäuschung, Einsamkeit, gegenseitigem Misstrauen und der Erkenntnis, dass man sich jeden Tag die gleichen Vorwürfe macht. Kurt, ein alter Freund des Paares, der auf der Insel vor kurzem angekommen war, um dort ein Amt zu übernehmen betrat das Bühnenbild durch die Schleuse und wurde sofort in das übertriebene Spiel der Eheleute miteinbezogen. Kurt, aufgeräumt und stabil im Auftreten, gab dem Zuschauer die Hoffnung, dass er den beiden Einhalt bot und sie vielleicht von ihrem Unglück befreien könnte. Aber auch Kurt ist eine gebrochene Figur und hat etwas zu verbergen. Spät stellte sich heraus, dass er Alice verfallen ist und sich für alte Wunden, die ihm Kurt vor langer Zeit zugefügt hatte, rächen will. Irgendwann rannten drei Karikaturen ihrer selbst auf der Bühne herum und wussten nicht mehr, was tiefer Ernst war oder aus reiner Gemeinheit und Missgunst dem Anderen an Kopf geworfen wurde. Am Schluss haben Edgar und Alice Kurt um die Ecke gebracht und für einen Moment schienen sie gemeinsam glücklich zu sein. Erschöpft und seltsam glücklich warteten sie auf ihr nächstes Opfer.

 Man kann die Inszenierung als bitterböse Klamotte lesen. Kay Voges, der Regisseur, fand in Strindberg eine Verwandtschaft zu Becketts Endspiel und Sartres geschlossene Gesellschaft. Manchmal entdeckte man als Zuschauer an sich die gleiche Verwirrung, die einem beim Betrachten eines Beckett-Stückes überfällt. Alles ist todernst, aber doch irgendwie gar nicht so gemeint. Das widersprüchliche des Absurden gilt es auszuhalten. Zudem glitzerte hinter dem bösartigen Spiel das „die Hölle sind die anderen“ durch. Man hat sich eingeschlossen und will den Turm ja gar nicht verlassen.

 Nach anderthalb Stunden kurzweiligem Vergnügen verließen der Bourgeois und seine Ehefrau die heiligen Hallen. Anschließend stand er neben der Statue des sitzenden Bertholt Brecht auf dem Bertholt-Brecht-Platz und macht einen Selfie. Er spürte kurz ein Ziehen in seinem Nacken. Es ist die Erkenntnis, dass auch er zuweilen das Lamentieren und Proklamieren seines Ärgers nutzt, um sich seine Zeit zu vertreiben, der Bourgeois, der widerliche!

Der erste und der letzte Mensch

Mein Roman drei trägt den Titel „der letzte Mensch“. Eine Reminiszenz an Albert Camus und seinem letzten Roman „der erste Mensch“. Camus kam vor der Fertigstellung des Buches 1960 bei einem Autounfall ums Leben kam und das ca. 160 Seiten lange Fragment wurde erst 1995 veröffentlicht.

 Ich bin seit meiner Jugend ein Camus-Fan. „Der Mythos von Sisyphos“ und auch „Mensch in der Revolte“ haben mein Art zu Denken maßgeblich geprägt. Ich habe die meisten seiner literarischen Werke wie „Der Fremde“, „die Pest“ usw. schon als junger Erwachsener gelesen. Der „erste Mensch“ war erschienen als meine Camus-Phase schon hinter mir lag. Bei der Konzeption von Roman drei, der die Geschichte einer sozialen Aufsteigerin, die sich bei ihrem Aufstieg korrumpiert, nachzeichnet, kam mir Camus wieder in den Sinn. Der Titel „der letzte Mensch“ ist einer der ersten Entscheidungen, die ich getroffen und auch nie wieder in Frage gestellt habe. Ich habe meinem Roman den Titel gegeben, ohne „der erste Mensch“ gelesen zu haben. Er im letzten Winter habe ich die Lektüre nachgeholt.  

 Camus schreibt über seine eigene Herkunft, seine Jugend in Algier und den Beginn seines Aufstieges, der in der Verleihung des Nobelpreises 1957 gipfelte. Camus kam aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war früh verstorben. Seine Mutter beschreibt er wenig liebevoll als einfältige, intellektuell sehr eingeschränkte Person, die kein Interesse an Dingen außerhalb ihres Blickfeldes hatte. Den Titel „der erste Mensch“ bezieht sich auf Camus Werdegang, weil er der erste Mensch in seiner Familie sein konnte, also der erste der sich ohne soziale Einschränkungen frei entfalten konnte.

 Warum also mein Titel „der letzte Mensch“? Meine Geschichte ist die Geschichte einer Regression. Johanna Sommer kommt aus einer Familie, die zerfällt, weil sie sich schnell aufgibt. Alle Menschen in ihrem Umfeld sind emotionsarm und phlegmatisch. Es wird sich nichts ändern und wenn dann zum Schlechten. Johanna versucht aus diesem Kreislauf auszubrechen, indem sie Bildung als Wettbewerb begreift und als sie endlich für ihre Anstrengungen belohnt werden soll, verändert sich die ganze Welt um sie herum. Von einem Tag auf den anderen etabliert sich eine starre Klassengesellschaft. Anstatt Widerstand zu leisten, passt sich Johanna an. Mit der Anpassung kommt der soziale Aufstieg in einer autoritären Hierarchie. Durch ihre Kindheit und Jugend geschädigt erkennt sie erst spät, dass sie mit ihrem Aufstieg sich und anderen Schaden zufügt und sie am Ende tief fallen wird. Sie kann sich nur retten, indem sie sich opfert. Am Ende, einsam und verloren in einer Eiswüste, nimmt sie ihr Schicksal an und erklärt sich zum letzten Menschen.

 Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der mich bei der Lektüre des Romans „der erste Mensch“ fasziniert hat. Das fragmentarische und unfertige des Textes gibt dem Leser ein die Möglichkeit den Schriftsteller bei der Arbeit zuzuschauen. In der mir vorliegenden Ausgabe von 1996 hat man Ungenauigkeiten belassen. Der Text wurde nicht korrigiert oder gerade gebogen. Man hat ihn sogar um die Notizen des Autors ergänzt. Als Camus starb, hatte er  anscheinend erst die Hälfte seines Textes geschrieben. In seinen Notizen, in der er die gesamte Handlung skizziert hatte, erkennt man noch die Lücken. Dem Leser fallen sofort Fehler im Plot auf. Er schreibt am Anfang von einem Geschwisterkind und zwei Sätze weiter beschreibt er ein Einzelkind usw. Während des Schreibprozesses scheint der Unterschied zwischen großen Autoren und Amateuren doch gering zu sein. Schlagen sich doch alle mit den gleichen Problemen herum….

Der Marktschreier

Vor Ostern gelang es mir, das Exposee für Roman Zwo fertig zu stellen. Ich habe sechs Wochen lang an einem Klappentext und ein inhaltliche Zusammenfassung meines des Textes gearbeitet. Diese Art der „Bewerbung“  führt bei mir zur reichlichen Absonderung von Angstschweiß. Es gibt nur wenige Tätigkeiten, die ich noch mehr hasse (z.B. das Ausdrücken von Mitessern an Nasenflügeln).

  Um mich inspirieren zu lassen, habe ich  in den alten Dateien nachgeforscht und festgestellt, dass ich schon einmal vor fast zehn Jahren für den Ursprungstext ein Exposee verfasst und an Literaturagenten verschickt hatte. Ohne Erfolg! Ich las das alte Exposee. Damals benötigte ich Massen an Wörtern, um nichts auszudrücken. Ich schrieb ausschweifende Schachtelsätze, die den Leser überforderten und nicht den Kern der Geschichte sichtbar werden ließen. Ich dachte weder an das Fachpublikum, das meinen Roman beurteilen, noch an die Leser, der unbedingt das Ende der Geschichte erfahren sollte.

 Die Erkenntnis mehr als zehn Jahre mit diesem Projekt verbracht zu haben, hat mich auf den Boden der Realität geprügelt.  Wenn man blutend auf der Straße liegt, jeden einzelnen Knochen im Körper spürt und der Kopf dröhnt, sollte man lieber aufstehen. Ansonsten bleibt man für immer liegen.

 Ich traf die richtige Entscheidung, als ich mir die Mühe machte, den Roman zu überarbeiten, das ganze überschüssige Material zu entfernen und mich auf einen Spannungsbogen zu konzentrieren. Die hohe Kunst der Literatur besteht nicht darin, seine Leser zu langweilen. Autoren können nicht in ihren Turmzimmern sitzen und warten, bis sie jemand dort oben herausholt. Es ist immer die Mühe wert, weiter zu machen, wenn es schwierig wird und an seinen Fähigkeiten zu arbeiten. In dieser Situation lohnt es sich nicht, die Schuld den anderen zu geben. Der Autor ist alleine verantwortlich für die Qualität seines Textes.

 Wenn der Roman doch gut ist, sollte es einem Autor nicht schwer fallen, ein gutes Exposee zu schreiben, oder? Nicht jeder Autor beherrscht die Kunst des Marketings in eigener Sache. Ich habe genau deswegen lange mit dem Exposee gehadert. Ich traue mir nicht zu, Menschen für meine Literatur zu begeistern. Ich bin viel zu selbstkritisch und empfinde es als peinlich, mit meinen Fähigkeiten hausieren zu gehen. Ich hasse es, wie ein Marktschreier meine Ware anzupreisen. Anscheinend gehört es zur Tätigkeit des Autors dazu, eine Rampensau zu sein. Und Plumps bin ich doch wieder der grantige Schreiberling im Turmzimmer, der ich nicht sein will.

….ach, ich drehe mich im Kreis! Das passt ja wie die Faust aufs Auge zum Titel meines Romans:  „der ewige Kreislauf“.  Egal, mein Exposee ist fertig und ich habe es hinaus in die Welt gesendet.

 Anbei stelle ich den Klappentext zur allgemeinen Beurteilung zur Verfügung und wer will, kann auch gerne das Exposee zum Lesen bekommen und meine Damen und Herren und nun kommt noch die Sensation des Tages hinzu, sie bekommen von mir nicht nur einen Klappentext und ein Exposee, jetzt hören Sie genau hin, so eine Angebot bekommen sie nicht alle Tage, stellen sie die Lauscher auf: ICH SUCHE AUCH NOCH TESTLESER! Wer will kann kostenfrei den ganzen Roman lesen und sich dazu auslassen. Na meine Damen und Herren, das ist doch ein Angebot, das kann man sich nicht entgehen lassen….nun der Klappentext zu „der ewige Kreislauf“ als kleine Kostprobe:

Ole und Simon, zwei Freunde, ein Geheimnis. Simon will das Geheimnis hinter sich lassen, Ole will es bewahren.  Der Konflikt zwischen den beiden Endzwanzigern eskaliert als Simon sich auf die Suche nach seinem Vater begibt. Simons narzisstischer Vater, der sich für den Gestalter einer neuen Welt hält, hat überall auf der Welt seine Spuren hinterlassen. Ole und Simon begegnen kaputten Typen, den Simons Vater übel mitgespielt hat. Auf ihrer Reise über mehrere Kontinente finden sie Simons Vater und geben ihr Geheimnis preis. Für sie gibt es aber keine Erlösung, denn sie müssen erkennen, dass sie dem ewigen Kreislauf aus Lügen, Geheimnissen und Verbrechen nicht mehr entkommen können….

Reihe 3, Platz 58 und 59 – Mädchenschule von Nona Fernández

Wetzlar. März 2023. Ca. 20 Personen bilden einen Kreis und lauschen schweigend einem Redner, der seine formelhaften Beschuldigungen herunterleiert. Er spricht mit monotoner Stimme über das gemeinsame Bündnis der Mächtigen und der Presse, die das Volk für dumm verkaufen wollen und das ja mit Corona alles so gekommen ist, wie man es erwartet hat. Etwas abseits passen zwei Polizisten auf. Sie haben nicht viel zu tun und unterhalten sich feixend. Die Querdenker, Coronaleugner oder wie sie sich selbst oft bezeichnen Selbstdenker, feiern immer noch jede Woche in unserer Stadt ihre Messe des selbstgemachten Blödsinns. Die Gruppe hat sich im Laufe der letzten Monate eine eigene Halbwertszeit gegeben. Es nehmen immer weniger Personen teil, aber sie geben einfach nicht auf. Heute Abend haben sie sich am Ende der Fußgängerzone positioniert und weil wir den kürzesten Weg durch den Kreis der Blöden nehmen müssen, nehme ich meine Frau an die Hand und schiebe meine Kinder vor mich her. Mit gesenkten Haupt schleichen wir durch den Kreis und versuchen sie zu ignorieren. Meine Frau kann sich nur schwer zusammenreißen und als wir den Kreis verlassen, sagt sie zu mir: „Ich bleibe ruhig, obwohl es mir schwer fällt, aber du hast immer gesagt, eine Demokratie muss auch die Gegner der Demokratie aushalten können.“

Stadttheater Giessen. März 23. Aufführung Mädchenschule. Der Lehrer nimmt Tabletten gegen seine Angst. Die Ängste verschwinden, aber damit auch jegliche andere Empfindung. Er dreht sich als Rädchen in einer bürokratischen Maschinerie und seine einzige Aufgabe ist, rechtzeitig Zensuren zu verteilen.  Das taube Glück der Angstfreiheit ist nur Fassade und führt in eine Sackgasse. Also setzt er die Tabletten ab, die Ängste kommen wieder und er will sich lieber dem Wahnsinn stellen als gar nichts zu spüren. In seinem leeren Klassenraum trifft er auf drei Schülerinnen, die von sich behaupten kurz vor dem Abitur zu  stehen, vor fünf Monaten die Schule besetzt und nachdem die Besetzung eskalierte und ein Polizist umgebracht wurde, sich im Keller der Schule versteckt zu haben. Der Lehrer hat noch nie etwas von einer Besetzung der Schule gehört. Außerdem sehen die Frauen, obwohl sie Schuluniformen tragen, nicht mehr wie Schülerinnen, sondern wie Frauen mittleren Alters aus. Der Reiz des Stückes, das in Chile zur jeweiligen Gegenwart spielt, liegt darin, dass die Widersprüche lange ungeklärt bleiben, daraus eine magische Spannung entsteht und sie am Ende zu einem passenden Bild zusammengefügt werden. Dabei spielen Zeitebenen, die ineinander verrutschen eine große Rolle und die Relativität des Augenblicks spült das zeitlose Thema des Kampfes gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit nach oben. Die Autorin stellt die Frage nach autoritären Machtstrukturen und ihre Wirkung auf das Individuum. Chile, das sich bis heute trotz der gefestigten Demokratie immer noch an den Überbleibseln der Militärdiktatur abarbeiten muss, ist der geeignete Hintergrund für die Klärung dieser Frage.  Dieselben Schreckensfiguren scheinen immer noch das Sagen zu haben, obwohl schon so lange Zeit vergangen ist. Der Lehrer und die Schülerinnen leiden unter denselben Autoritäten. Während die Schülerinnen den Weg des bedingungslosen Widerstandes beschreiten und den Untergrund vor der Unfreiheit wählen, geht der Lehrer den Weg der Anpassung und geht beinahe zugrunde. Die Frauen sind lebensfrohe, mutige Kämpferinnen, der Lehrer versteckt sich hinter seinem Pflichtgefühl. Im Laufe des Stückes versteht der Lehrer, dass er den falschen Weg eingeschlagen hat. Am Ende zählt nicht die Verantwortung der Erwachsenen, die darin besteht nur zu funktionieren und die Umstände nicht zu hinterfragen, sondern die Verantwortung für eine bessere Zukunft.  Die Frauen kämpften für die Demokratie, weil sie damit die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft für alle verbinden. Als Zuschauer kann man die Kraft des Aufbegehrens spüren. Die Schülerinnen, überzeugen gespielt von drei erfahrenen Ensemblemitgliederinnen, agieren ruhelos, kraftvoll und reiben sich an dem Hochgefühl der Revolution auf. Rebellion ist Schwerstarbeit, lebensbedrohlich und gleichzeitig beglückend. Das Ziel, Gerechtigkeit für alle, mag unerreichbar sein, aber der Kampf lohnt sich trotz der vielen Entbehrungen, weil es bedeutet, ganz nahe bei sich selbst zu sein und darüber sogar die Zeit zu vergessen.

Ich fühle mich an unsere Gegenwart erinnert und unseren Umgang mit zivilen Ungehorsam.  Eine freie und offene Gesellschaft sollte den zivilen Ungehorsam, der auf die bessere Zukunft für alle abzielt, als heilendes Korrektiv betrachtet. Da wo der zivilen Gehorsam auf die Zerstörung der freien und demokratisch organisierten Gesellschaften zugunsten einer autoritären Ideologie abzielt, sollte die Demokratie wehrhaft sein. Nach dem gelungenen Theaterabend habe ich lange darüber nachgedacht. Wenn ich Menschen, die sich auf der Straße festkleben, mit Gewalt begegne, nur weil sie den Ablauf des Verkehrs stören und sie sofort als Terroristen beschimpfe, dagegen aber jahrelang Reichsbürger und ähnliche Demokratiefeinde gewähren lasse und Rechtsextremisten den Weg bis in unsere Parlamenten bahne, muss ich mir die Frage als Bürger gefallen lassen, ob bei uns nicht auch allmählich alle Ebenen verrutschen und wir nicht mehr erkennen, ob es um die Freiheit aller geht oder um das Machtbegehren einzelner  Gruppen, die sich in der Minderheit befinden.

Ja, wir müssen die Feinde der Demokratie aushalten, auch wenn sie die Demokratie missbrauchen. Bei den Querdenkern hatten wir Glück, die Pandemie ist vorbei, die Menschen haben andere Sorgen und viele der esoterisch veranlagten Selbstdenker haben sich wieder in ihre Schmollwinkel verzogen, um sich neue fantastische Märchen auszudenken, die sie für die Wirklichkeit halten. Aber das heißt noch lange nicht, dass die Gefahr vorbei ist. Der Abend im Theater hat mich auf den Boden der Tatsache zurückgeholt. Wir dürfen niemals müde werden, wir dürfen niemals den Kampf für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit aufgeben. Wir sind Menschen in der Revolte, egal ob es uns gefällt oder nicht. Die Veränderung ist unser Freund, sie hält uns am Leben. Die Stagnation und das Verharren in alten Verhaltensweisen ist unser Feind, dem wir jeden Tag trotzen müssen.

Schnitzen

Photo by Ono Kosuki on Pexels.com

Ich bin heute mit Kopfschmerzen aufgestanden. Das passiert sehr selten. Ich bin kein Kopfschmerztyp und normalerweise bin ich auch kein Jammerlappen. Ein Großteil meines Alltags besteht daraus, Menschen zuzuhören, die leidend sind. Und wenn ich Ihnen so zuhöre, komme ich Laufe des Gespräches immer zu dem Schluss, dass sie eigentlich nur leiden wollen, damit sich für sie nichts verändern muss. Ich probiere immer wieder diesen Menschen zu erklären, das Veränderung etwas wunderbares sei. Und dann hämmert es in meinem Kopf, dieser verdammte Schmerz aus dem Nichts, dieses Gefühl in den letzten vier Wochen steckengeblieben zu sein, in einem Kreislauf aus Leiden, Kraftlosigkeit und Unfähigkeit festzustecken wie in der sich immer schneller drehenden Trommel einer Waschmaschine im Schleudergang. Eigentlich tragen einem die Fliehkräfte aus der Trommel, aber die Tragik liegt darin, dass einen die Trommel nicht rauslässt…

Es hat angefangen, dass ich ein Exposeé für meinen Roman zwo schreiben wollte und ich fünf Seiten aus meinem Hirn herausgepresst habe wie Kot aus meinem After nach einer Woche Verstopfung. Um dann festzustellen, dass die meisten Verlage keinen Bock auf fünf Seiten haben, sondern nur drei Seiten haben wollen. Jetzt sitze ich seit vier Wochen an diesem Exposee und schnitze es mir zurecht, um nach jedem Schnitzvorgang festzustellen, dass es verdammt nochmal immer noch mehr wie drei Seiten sind…

Dann ging es weiter, dass die Hälfte der Menschen in meiner Umgebung krank geworden sind. Die meisten haben zum Glück nur eine Grippe oder eine Erkältung. Ich kann dieses Gefühl nicht ertragen, bald auch dran zu sein, weil ich diese dummen Viren und Bakterien nicht für immer von mir fern halten kann. Ich will keine Unterbrechung meines Alltags aus Krankheitsgründen. Dafür habe ich einfach viel zu viel zu erledigen. Dazu noch dieses Umbruchwetter, mal Winter, mal Frühling, mal Sonne, mal Wärme, mal Kälte, Regen, Schnee und andere unangenehme Erscheinungen der Natur. Das Warten auf den Frühling zieht mich jedes Jahr herunter (doch ein Jammerlappen). Zu guter Letzt ist auch noch jemand gestorben, den ich seit dreißig Jahren kannte. Ich war auf der Beerdigung und es hat wieder soviel in mir losgetreten, Erinnerungen an alte Zeiten, daran, dass meine Ursprungsfamilie nichts mit mir zu tun haben will , was das eigentlich mit mir macht, zu wissen, dass meine Eltern auch irgendwann in einem Sarg liegen werden und ich nicht an das Rednerpult treten und darüber reden kann, welch wunderbare Menschen meine Eltern waren.

Und dann immer dieses Exposee im Hinterkopf…fünf Seiten…viereinhalb…vier Seiten…bleibt nicht mehr viel übrig…Schnauze weiter schnitzen….

So und zu guter Letzt habe ich noch ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen Blog vernachlässige und vielleicht doch der eine oder andere Leser sich von mir abwendet, weil der schreibt ja eh nix mehr…..

Das kann ja so nicht weitergehen…also schnitze ich und sende Lebenszeichen….

Stillleben Deutschland I: Die Turnhalle

Solidarität, Kooperation und gemeinschaftliches Handeln ist selten konfliktfrei. Es verlangt von allen Beteiligten Kompromissbereitschaft, Empathie und Selbstaufgabe. Nur da wo man anpackt, Verständnis für seinen Mitmenschen aufbringt und zumindest zweitweise bereit ist, seine eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen, erreicht man gemeinsam etwas. Uns Menschen zeichnet die Ambivalenz aus. Wir können beides: Unser Denken und Handeln auf uns selbst und die Gemeinschaft ausrichten. Die Grenzen zwischen Innen und Außen sind fließend.

  Seitdem die Menschen voneinander verlangen, dass jedes Handeln einen wirtschaftlichen Ertrag bringen muss, ist es schwieriger geworden, die Bedürfnisse der Gemeinschaft vor die eigenen Bedürfnisse zu stellen. Wir vermarkten uns selbst und versuchen das Außen und das Innen zu verschmelzen. Wir werden zur Ware, die sich vor der Schlachtung selbst anpreist, wie das sprechende Tier im Restaurant am Ende der Welt.

 Die Turnhalle scheint ein Relikt aus vergangenen Zeiten zu sein. Man trifft sich zum gemeinschaftlichen Sport. Es ist immer etwas zu viel Hall in der Halle, es ist zu kalt, es riecht nach altem abgestandenem Schweiß, die Farbe blättert von den Wänden, die Toiletten und Duschen sind eklig. Man geht lieber ins Fitnessstudio. Dort findet man klimatisierte Wohlfühlräume und hübsche Menschen, muskelgestählt, die einem ein flauschig weiches Handtuch reichen.  Das Ziel ist es, stundenlang alleine auf einem Quadratmeter zu rennen oder Maschinen zu betätigen, in der Hoffnung dabei gesehen und bewundert zu werden. Das steigert den Marktwert des eigenen Selbst.

 Die Turnhalle hätten wir in den letzten Jahren beinahe aufgegeben. Während Corona hat man Vereinen den Sport untersagt, man hat in ihnen Impfstationen eingerichtet oder Flüchtende einquartiert und bringt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, die Schwächsten unserer Gesellschaft gegeneinander auf.

 Früher galten wir als Vereinsmeier und Freunde der Turnhallen und öffentlichen Schwimmbäder. Weder das Ehrenamt, noch die Randsportarten wie Handball, Tischtennis, Turnen etc. die zumeist in Turnhallen ausgeübt werden, sind ertragreich genug und auch die öffentlichen Schwimmbäder gammeln vor sich her, weil sie als Zuschussgeschäfte betrachtet werden.

Mittlerweile regt sich der Widerstand der Menschen, die nicht alles unter der Lupe der Wirtschaftlichkeit betrachten. Vielleicht noch rechtzeitig. Man weiß es nicht. Ich gehöre zu denen, die lange den eigentlichen Wert des Vereinslebens und der dazugehörigen Sportstätten nicht erkannt habe. Aber man wird älter und die schlechten Erfahrungen der Kindheit verblassen angesichts der Tatsache, dass meine Kinder und meine Frau sich sehr wohl in ihrem kleinen Verein fühlen und sie jedes zweite Wochenende in irgendeiner Turnhalle verbringen, die es zum Glück noch in fast jedem Dorf landauf, landab gibt. Dort spielen und trainieren sie Handball, ein rustikaler Sport, der auch in Deutschland erfunden wurde und schon immer im Schatten des Fußballs um Anerkennung kämpfen muss. Ein typischer Dorfsport. Viele Mannschaften in den obersten Spielklassen kommen aus kleinen Dörfern oder Kleinstädten. Auch Handball ist ein Opfer der Gewinnmaximierung. Es gibt kapitalkräftige Sponsoren, VIP-Loungen in den Hallen, einen korrupten Weltverband und schon 2015 gab es eine Weltmeisterschaft in Katar. Allerdings ist Handball in seinem Herzen und vor allem in Deutschland ein Provinzsport geblieben. Es hat vielleicht auch seine Vorteile, wenn man sich im Schatten des Fußballs bewegen muss.

 Auch im Handball gibt es schon in den Jugendmannschaften eine marktorientierte Rivalität. So ganz kann man sich in der Turnhalle nicht vom Zeitgeschehen lösen. Aber während man im Fußball sogar schon bei den Grundschulkindern nach Talenten sucht, um sie an einen Verein zu verscherbeln, gibt es beim Handball noch die Breite im Leistungsspektrum und man hat die Chance, sich ohne Hintergedanken am gemeinschaftlichen Sport zu erfreuen. Ich schaue meinen Kindern gerne zu, wenn sie spielen. Meine Tochter ist sehr groß für ihr Alter. In ihrer Mannschaft steht sie häufig im Mittelpunkt des Geschehens. Obwohl ich sie immer für ein stilles und unauffälliges Kind gehalten habe, zeigt sie Führungsqualitäten. Gerade weil sie nicht am lautesten brüllt, sondern sich in den Dienst ihrer Mannschaft stellt. Mein Sohn steht oft im Tor und freut sich, wenn er einen Torwurf abwehrt. Er hat sich von Andreas Wolf, dem deutschen Torwart der Nationalmannschaft, die Jubelgesten abgeschaut und rennt wie irre mit erhobener Faust im Kreis herum. Er macht es nicht, weil er sich für den besten Torwart aller Zeiten hält, sondern weil er weiß, dass man als Mannschaft nur gewinnen kann, wenn man vorne Tore wirft und hinten den Kasten sauber hält. Und ich, der Vereins- und Mannschaftsmuffel (ich jogge seit Jahren alleine, weil ich alleine joggen will) stehe im Turnhallenkiosk und verkaufe, obwohl ich lieber den Spielen meiner Kinder beiwohnen möchte, Hotdogs, selbstgebackene Muffins und Brezeln und schütte anderen Eltern warmen Kaffee in ihre Tassen. Es ist schön zu sehen, wie sich alle wohlfühlen und ich dazu ein wenig beitragen kann. Es ist das kleine Turnhallenglück, auf das wir niemals verzichten sollten, weil es viel zu kostbar ist, auch wenn es keinen Gewinn abwirft.

Ist das nicht ekelerregend?

In unserem Haushalt leben Menschen mit langen Haaren. Glücklicherweise waschen sich diese Menschen regelmäßig, manchmal duschen sie sogar.

 Bei der ausgiebigen Körperpflege unter der Brause kommt es zu partiellen Haarausfall. Was passiert mit den Haaren? Der stete Wasserstrom in der Duschtasse spült die Haare in den Abfluss und dort verfangen Sie sich in einem Sieb.

  Wenn ich mal unter der Dusche stehe, fließt das Wasser nicht ab. Bevor es zur Überschwemmung des Bades kommt, ziehe ich das Sieb aus dem Abfluss und mit einem Mal läuft das Wasser ungehindert ab. Meistens habe ich noch Schaum vom Shampoo in den Augen und trotzdem versuche ich das Sieb zu reinigen. Ein Büschel langer Haare kommt zum Vorschein. Langsam mit spitzen Fingern ziehe ich jedes schleimige Haar aus dem Sieb. Voll eklig! Aber es gibt nun einmal Dinge, die ein Mann tun muss!!!!

 Und genauso ist es mit meinen Romanprojekten. Irgendwann kann ich nicht anders und ich muss es in die Hand nehmen und reinigen!

 Vor anderthalb Jahren habe ich das letzte Mal auf meinem Blog über meinen dritten Roman und meine Schreibfortschritte berichtet. Jo Sommer und ihre Reise zum Südpol schienen nicht mehr in meinem Fokus zu sein und wer den Blog regelmäßig verfolgt, wird wahrscheinlich denken: Schon wieder so ein Möchtegernautor, der still und heimlich sein Romane begräbt!

Weit gefehlt. Ich habe einfach weiter geschrieben und mich auf den Text fokussiert. Anfang Dezember, nach ungefähr anderthalb Jahren Schreibarbeit, ist die erste Fassung des zweiten Teils fertig geworden.

Seit dem letzten Sommer war es mir schwer gefallen, kontinuierlich weiter zu schreiben. Eine gewisse Ermüdung kam zum Vorschein, die sofort die Frage nach dem Sinn meines Unterfangens aufgeworfen hatte. Ich saß vor meinem Bildschirm und habe mich ständig gefragt, was ich eigentlich hier mache?

 Ich habe mich leicht ablenken lassen und wenn ich mal ein paar Sätze produziert habe, waren es kurze Hauptsätze und lange Dialoge.

 Dialoge in Romanen sind ein heikles Thema. Warum braucht man Dialoge in Romanen, kann man doch gleich Drehbücher oder Theaterstücke schreiben? Ganz so einfach ist es nicht. Dialoge in Romanen sind ein wichtige Bestandteil eines Gesamttextes. Ich werde misstrauisch, wenn Autoren über Seiten hinweg Ihre Figuren ausschweifende Gespräche führen lassen. Das ist meines Erachtens Platzverschwendung. Leider musste ich mir irgendwann selbst misstrauen. Komm schreib noch einen schönen langen nichtssagenden Dialog, hast du wenigstens dein Schreibpensum von zwei Seiten pro Nachmittag erledigt!

 Die Arbeit hat sich wie Kaugummi gezogen. Der ganze Rotz, der die Geschichte zusammenhalten sollte, hat sich in halbflüssigen Schleim aufgelöst. Ich habe selbst keine Zusammenhänge mehr zwischen dem ersten Teil, der Kindheit und Jugend von Jo Sommer und dem zweiten Teil, die Reise in die Antarktis, gesehen. Ich wollte einen ganzen Roman schreiben und haben nur zwei halbe geschrieben. Es mangelte an Konsistenz und Kontinuität und wenn ich in solch einer Zwickmühle stecke, schreibe ich wieder viel zu viele Seiten, die ich nachher wegschmeißen muss.

 Ich habe mir meinen Workflow hart erarbeitet. Daher halte ich auch zwingend den Ablauf ein. Erst schreibe ich einen Text fertig und dann fange ich mit der Überarbeitung an. Wenn ich zwischendurch an dem Geschriebenen herumdoktere, verzettele ich mich. Also erst einmal einen Text fertig schreiben, vier bis sechs Wochen Pause machen und dann den Gesamttext kritisch lesen.

Das ist der Punkt, an dem ich jetzt bin. Ich habe das Sieb sozusagen rausgezogen und halte es in der Hand, um mal zu schauen, warum das Wasser nicht abfließt.

In den letzten Tagen habe ich mein Manuskript gelesen. An manchen Stellen hat mich die schlechte Qualität schaudern lassen, an vielen anderen Stellen war ich schlicht zufrieden mit meinem Ergebnis.

Die ersten hundertdreißig Seiten lassen sich flott lesen. Der Anfang gefällt mir sehr gut. Der Text wirkt kompakt und schlüssig. Dann franst er aus und die Qualität lässt nach. Ein Kapitel muss ich völlig überarbeiten und mir etwas Neues ausdenken. Der Schluss des ersten Teiles ist voller Klischees und sentimentalen Ausbrüchen. Ich muss eine Brücke zum zweiten Teil bauen, anstatt mich mit der Schilderung langweiliger Abi-Feten aufzuhalten.

 Der Anfang des zweiten Teiles ist ähnlich kompakt und zwingend wie der Beginn. Wenn Jo über ihren Aufenthalt im Luxushotel und ihre Versuche, einen Roman zu schreiben, berichtet, kann der Text gefallen. Allerdings ist viel Drama und Übertreibung in ihrer Stimme. Sie will das Äußerste erreichen und dümpelt nur in einer seichten Pfütze vor sich her. Schlimm und unausgegoren sind die Rückblicke in die Vergangenheit. Das muss ich unbedingt in der Gesamtschau verkürzen, verengen, realistischer gestalten. In der Mitte des zweiten Teils verliere ich den Faden und der Roman verwandelt sich in einen reisenden Schreibstrom: hier und da bleibt mal was am Felsen im Wasser hängen, manches geht unter, vieles wird einfach mitgerissen und so geht es fast bis zum Schluss. Das heißt nicht, dass ich das nun alles in den Papierkorb befördern muss. Ich muss den reisenden Strom nur kanalisieren, begradigen, die Stromschnellen rausnehmen und in ein ruhiges Flussbett führen. Die wilde, unbändige Fantasie muss sich in eine schlüssige Handlung verwandeln.

Also da sind noch einige glitschige Haar im Sieb…..

Reihe 3, Platz 58 + 59 – Dantons Tod von Georg Büchner

Bei Büchner trifft das pralle Leben auf Todessehnsucht, gesunder Menschenverstand auf Ideologie und der Alltag auf das große Drama. Auch an diesem Abend lehrt uns Büchner wieder einmal, dass ein Individuum, egal wie fancy und cool sein Nimbus sein möge, keinen Einfluss auf den Ablauf der Geschichte hat,  sondern es von ihr wie der Ertrinkende von der Flut mitgerissen wird.

Ich und meine Frau zwängen uns in Reihe drei an den Zuschauern vorbei und in der Mitte der Reihe lassen wir uns auf unseren abonnierten Plätzen nieder. Ich muss meine langen Beine sortieren und meine Frau schaut noch ein letztes Mal aufs Handy. In diesem Moment findet die glorreiche Rückkehr zur Normalität statt. Nach zweiundeinhalb Jahren Pandemie und zahllosen Einschränkungen und Exilen auf anderen Plätzen im Theater kehren wir befreit von Maske und Abstandsgeboten wieder auf unsere Stammplätze zurück. Für uns ein kleiner Triumph. Aber Büchner lehrt uns ja, sich niemals zu früh zu freuen.

Zum ersten Mal sehen wir ein Stück der neuen Spielzeit. Das Stadttheater hat eine neue Intendantin, deren Handschrift sich erst einmal nur in der schlichten Ausführung von Programmheften erkennen lässt. Bei genauerer Betrachtung  steht sie anscheinend für eine Verjüngung und Modernisierung des Spielbetriebs in Gießen:  neue junge Ensemblemitglieder und Regisseure, mit Migrationshintergrund, fröhlich divers. Bei mir blitzen die Reflexe eines alten und weißen Cis-Mannes auf: Das Neue kann ja nix. Dabei hat man gerade in den letzten Spielzeiten eine gewisse Ermüdung im Stadttheater bemerkt, die sich nicht nur mit den Schwierigkeiten bei der Anpassung des Spielbetriebes an eine Pandemie erklären lässt.    

Wir fragen uns die ganze Zeit, ob wir Dantons Tod nicht schon einmal im Stadttheater gesehen haben. Ich habe ganz bestimmt das Stück im Fernsehen gesehen. Meine Frau behauptet noch zwei Minuten bevor die Aufführung beginnt, Dantons Tod mit mir im Stadttheater gesehen zu haben. Während sie ihren Gedanken laut artikuliert, geht der Vorhang auf und  ihre Worte gehen in einer bedrohlich wirkenden Klanglandschaft unter. Die Darsteller turnen auf einem Gerüst herum, filmen ihre Gesichter mit einer Kamera, deren Bilder wiederum auf einen transparenten Vorhang projiziert werden und zwischen den einzelnen kurzen Textzeilen dröhnen die kargen basslastigen Elektrosounds in den Ohren der Zuschauer. Ein Grummeln klippt als Textur durch den Text und man weiß: Achtung Baby! Drama ist angesagt!!!!

Die Theatermacher haben es schon lange kapiert: kein Zuschauer möchte den langen und ausschweifenden Originaltext hören, sie wollen keine Schauspieler sehen, die in den Gewändern des achtzehnten Jahrhunderts über die Bühne parlieren und phrasieren wie kleine Schauspielgötter. Man muss verknappen, zuspitzen und mit zeitgemäßen Impulsen die Emotionen triggern,. Dazu gehört auch, dass Robespierre Haftbefehl zitieren darf!

Es geht ja um nichts weniger als die Französische Revolution, dieses Monster europäischer Geschichte, das für die Ambivalenz historischer Vorgänge steht: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit trifft auf totalitäre und faschistische Machtstruktur. Freiheitsliebende Revolutionäre treffen auf panische Diktatoren, die von den Gefahren der Freiheit besessen sind. Danton und Robespierre vertreten diese beiden Gegensätze. Danton der Lebemann und Berufsrevolutionär, hochbegabt und den Freunden des Lebens zugewandt gegen Robesspierre, der freudlose Ideologe, der die Revolution sofort beenden will, um die Freiheit einzuhegen, bis sie wie ein Tiger im Zookäfig keine Gefahr mehr für ihn darstellt. Im Hintergrund spielt immer die Wirklichkeit eine Rolle. Jeder, der das Stück sieht, weiß Danton wird sterben und Robespierre ihn nur kurz überleben.

Der Überhang cineastischer Effekte, das Verknappen und Verkürzen der Handlung und des Bühnenbildes, alles Fleisch runter vom Knochen kann ich ertragen und sogar gutheißen.

Etwas missfiel mir an der Inszenierung: die Erzählung der Geschichte erfolgt vom Ende her. Die Hinrichtung, die Szenen im Verließ kommen am Anfang und von dort rollt man die anderen Akte des Stückes vor sich auf wie die Rasenteppich auf dem Spielfeld im Fußballstadion. Das Stück endet lapidar und beiläufig. Als hätte Herr Büchner sich nichts dabei gedacht, sich keinen Spannungsbogen zurechtgelegt. In diesem Kontext erscheint der wuchtige Anfang folgerichtig, ist er doch eigentlich das Ende.

Büchner hat übrigens ein paar Monate in Gießen studiert. Das Haus, in dem er in Gießen logierte, liegt ungefähr zweihundert Meter Luftlinie vom Theater entfernt. Büchner hatte damals die Flucht ergriffen und seine letzten beiden Jahre in Straßburg verbracht, wo er mit nur 23 Jahren verstarb. Was für Leben im Zeitraffer und umso größer erscheinen seine drei Theaterstücke zu sein, die zum Kanon des deutschen Theaters gehören. Da passt es gut, dass die zwei männlichen Hauptdarsteller mit 27 Jahren gerade ihre Schauspielausbildung abgeschlossen haben und  mit ihrem Spiel in Erinnerung bleiben. Gerade wenn beide Ihre Monologe ergreifend und glaubwürdig darstellen und wenn sie die Konturen ihrer widerstrebenden Persönlichkeiten zeichnen, Danton mit seiner nonchalanten Lebensmüdigkeit und Robespierre mit der Scheißangst vor der Freiheit, hinterlassen sie Gänsehaut im Nacken des Zuschauers.

Ergänzt werden Sie durch teilweise gestandene Ensemblemitglieder, die ins gleiche Horn stoßen und zu Recht am Schluss den ausgiebigen Applaus und vereinzelte Bravorufe in Empfang nehmen.

Und was lernen wir aus dem Stück: Die Freiheit muss immer verteidigt werden und zu glauben, dass sie einem nicht genommen werden kann, kann einen bis aufs Schafott bringen.