
In unserem Haushalt leben Menschen mit langen Haaren. Glücklicherweise waschen sich diese Menschen regelmäßig, manchmal duschen sie sogar.
Bei der ausgiebigen Körperpflege unter der Brause kommt es zu partiellen Haarausfall. Was passiert mit den Haaren? Der stete Wasserstrom in der Duschtasse spült die Haare in den Abfluss und dort verfangen Sie sich in einem Sieb.
Wenn ich mal unter der Dusche stehe, fließt das Wasser nicht ab. Bevor es zur Überschwemmung des Bades kommt, ziehe ich das Sieb aus dem Abfluss und mit einem Mal läuft das Wasser ungehindert ab. Meistens habe ich noch Schaum vom Shampoo in den Augen und trotzdem versuche ich das Sieb zu reinigen. Ein Büschel langer Haare kommt zum Vorschein. Langsam mit spitzen Fingern ziehe ich jedes schleimige Haar aus dem Sieb. Voll eklig! Aber es gibt nun einmal Dinge, die ein Mann tun muss!!!!
Und genauso ist es mit meinen Romanprojekten. Irgendwann kann ich nicht anders und ich muss es in die Hand nehmen und reinigen!
Vor anderthalb Jahren habe ich das letzte Mal auf meinem Blog über meinen dritten Roman und meine Schreibfortschritte berichtet. Jo Sommer und ihre Reise zum Südpol schienen nicht mehr in meinem Fokus zu sein und wer den Blog regelmäßig verfolgt, wird wahrscheinlich denken: Schon wieder so ein Möchtegernautor, der still und heimlich sein Romane begräbt!
Weit gefehlt. Ich habe einfach weiter geschrieben und mich auf den Text fokussiert. Anfang Dezember, nach ungefähr anderthalb Jahren Schreibarbeit, ist die erste Fassung des zweiten Teils fertig geworden.
Seit dem letzten Sommer war es mir schwer gefallen, kontinuierlich weiter zu schreiben. Eine gewisse Ermüdung kam zum Vorschein, die sofort die Frage nach dem Sinn meines Unterfangens aufgeworfen hatte. Ich saß vor meinem Bildschirm und habe mich ständig gefragt, was ich eigentlich hier mache?
Ich habe mich leicht ablenken lassen und wenn ich mal ein paar Sätze produziert habe, waren es kurze Hauptsätze und lange Dialoge.
Dialoge in Romanen sind ein heikles Thema. Warum braucht man Dialoge in Romanen, kann man doch gleich Drehbücher oder Theaterstücke schreiben? Ganz so einfach ist es nicht. Dialoge in Romanen sind ein wichtige Bestandteil eines Gesamttextes. Ich werde misstrauisch, wenn Autoren über Seiten hinweg Ihre Figuren ausschweifende Gespräche führen lassen. Das ist meines Erachtens Platzverschwendung. Leider musste ich mir irgendwann selbst misstrauen. Komm schreib noch einen schönen langen nichtssagenden Dialog, hast du wenigstens dein Schreibpensum von zwei Seiten pro Nachmittag erledigt!
Die Arbeit hat sich wie Kaugummi gezogen. Der ganze Rotz, der die Geschichte zusammenhalten sollte, hat sich in halbflüssigen Schleim aufgelöst. Ich habe selbst keine Zusammenhänge mehr zwischen dem ersten Teil, der Kindheit und Jugend von Jo Sommer und dem zweiten Teil, die Reise in die Antarktis, gesehen. Ich wollte einen ganzen Roman schreiben und haben nur zwei halbe geschrieben. Es mangelte an Konsistenz und Kontinuität und wenn ich in solch einer Zwickmühle stecke, schreibe ich wieder viel zu viele Seiten, die ich nachher wegschmeißen muss.
Ich habe mir meinen Workflow hart erarbeitet. Daher halte ich auch zwingend den Ablauf ein. Erst schreibe ich einen Text fertig und dann fange ich mit der Überarbeitung an. Wenn ich zwischendurch an dem Geschriebenen herumdoktere, verzettele ich mich. Also erst einmal einen Text fertig schreiben, vier bis sechs Wochen Pause machen und dann den Gesamttext kritisch lesen.
Das ist der Punkt, an dem ich jetzt bin. Ich habe das Sieb sozusagen rausgezogen und halte es in der Hand, um mal zu schauen, warum das Wasser nicht abfließt.
In den letzten Tagen habe ich mein Manuskript gelesen. An manchen Stellen hat mich die schlechte Qualität schaudern lassen, an vielen anderen Stellen war ich schlicht zufrieden mit meinem Ergebnis.
Die ersten hundertdreißig Seiten lassen sich flott lesen. Der Anfang gefällt mir sehr gut. Der Text wirkt kompakt und schlüssig. Dann franst er aus und die Qualität lässt nach. Ein Kapitel muss ich völlig überarbeiten und mir etwas Neues ausdenken. Der Schluss des ersten Teiles ist voller Klischees und sentimentalen Ausbrüchen. Ich muss eine Brücke zum zweiten Teil bauen, anstatt mich mit der Schilderung langweiliger Abi-Feten aufzuhalten.
Der Anfang des zweiten Teiles ist ähnlich kompakt und zwingend wie der Beginn. Wenn Jo über ihren Aufenthalt im Luxushotel und ihre Versuche, einen Roman zu schreiben, berichtet, kann der Text gefallen. Allerdings ist viel Drama und Übertreibung in ihrer Stimme. Sie will das Äußerste erreichen und dümpelt nur in einer seichten Pfütze vor sich her. Schlimm und unausgegoren sind die Rückblicke in die Vergangenheit. Das muss ich unbedingt in der Gesamtschau verkürzen, verengen, realistischer gestalten. In der Mitte des zweiten Teils verliere ich den Faden und der Roman verwandelt sich in einen reisenden Schreibstrom: hier und da bleibt mal was am Felsen im Wasser hängen, manches geht unter, vieles wird einfach mitgerissen und so geht es fast bis zum Schluss. Das heißt nicht, dass ich das nun alles in den Papierkorb befördern muss. Ich muss den reisenden Strom nur kanalisieren, begradigen, die Stromschnellen rausnehmen und in ein ruhiges Flussbett führen. Die wilde, unbändige Fantasie muss sich in eine schlüssige Handlung verwandeln.
Also da sind noch einige glitschige Haar im Sieb…..
Das mit den glitschigen Haaren im Sieb kennen wohl viele, aber „sein Ding“ zu Ende zu bringen wenige …
Leider bin ich noch lange nicht fertig!!
Wird schon … oder?😊
Ich bleibe auf jeden Fall dran… irgendwann ist der Roman fertig…
Respekt dafür, mein Lieber! Bei Haargeschmierklumpen muss man durch, nen Roman voranzuboxen ist ne andere Nummer. Eine, die ich mir bislang nie vorgenommen habe. Es gibt immer mal wieder Leute, die sagen, ich sollte, müsste doch unbedingt einen Roman schreiben. Bislang hatte ich aber noch nie den Moment, wo sich mir eine Geschichte aufgedrängt hat, die ich ausgedehnt erzählen wollte, und deren roten Faden ich in größeren Bögen verfolgt hätte. Ich für meinen Teil bin gefühlt eher ein Schlaglicht-Typ, assoziativ mit wild spinnendem Hirn, dem hier und da ne nette Szene einfällt, aber so man nicht literarisch konsequent ausufern will (und Leser strapazieren, weil sie sich vielleicht fragen, wo er denn nun schon wieder hinreitet, der Autor, und wie das alles zusammenhängt), dann sollte man, also ich, vielleicht doch mit sowas warten. Zumal mir für nen Roman auch in jeder Form die Zeit fehlen würde. Ist eigentlich ja auch völlig egal, weil um mich geht es ja gar nicht. Ich schreib’s nur, weil ich großen Respekt vor allen habe, die genau sowas sich vornehmen und konsequent verfolgen. Und ich finde, man kann auch ruhig mal über Seiten Dialoge schreiben. Ich mag auch „Die Verteidigung der Missionarsstellung“ von Wolf Haas etwa sehr, die ja eigentlich auch mehr Kammerspiel als Roman ist. Aber das ist ja Geschmackssache. Viel Erfolg Dir!
Ich glaub, ich muss mal etwas von Wolf Haas lesen. Die Brenner-Romane haben mich schon immer gereizt. Da ich auch eher farbenfroh vor mich her fabuliere, kenne ich dein Problem. Ich musste mich mäßigen und disziplinieren. Aber auch das gehört dazu und nicht jeder hat den Lust auf den langen Atem, der auch irgendwann ziemlich faulig miefen kann. Für mich bedeutet es reine Freude, lange Texte zu schreiben, weil ich als Autor meine eigene kleine Welt schaffen kann. Mir fehlt nur leider eine treue Leserschaft… einmal anständig einen meiner fertigen Romane veröffentlichen und dann wäre ich am Ziel meiner Träume! Vielen Dank auf jeden Fall für deinen Zuspruch und falls du dich doch einmal zu einem langen Text hinreißen lässt, hast du mich schon mal als Leser!