Die Fertigstellung des Romans war schwieriger als gedacht. Das letzte Kapitel hat es noch einmal in sich gehabt. Die Grundidee war es, die Zukunft der Protagonisten zu beschreiben. Sie kommen von ihrer großen Reise zurück. Können sie sich wieder einordnen, ihr altes Leben wieder aufnehmen oder wird sich ihr Leben radikal ändern? Und hier teilt sich das bisher miteinander verbundene Schicksal der Helden. Der eine versucht sich sein altes Leben zurück zu erobern und der andere wird sein Leben radikal ändern. Sie werden sich aus den Augen verlieren. Während einer der Beiden eine Familie gründet, in eine andere Stadt zieht, ein Haus kauft, seine Söhne großzieht, scheint der andere einfach wie vom Erdboden verschluckt. Nach zehn Jahren gibt es einen Anlass, der sie wieder zusammenbringt. Der eine Protagonist macht sich auf die Suche nach dem Anderen und findet ihn. Soweit so gut! Wo ist die Pointe am Schluss?
Es soll ja Autoren geben, die einen Roman erst beginnen, wenn Sie den letzten Satz schon kennen. Das war noch nie mein Ding. Ich habe zwar in den letzten Jahren gelernt mit einem Plan ans Schreiben zu gehen. Doch um das Ende habe ich mich selten geschert. Manchmal ist der Schluss der Anfang (wie in Roman drei). Aber das ist die absolute Ausnahme. Manche Autoren betrachten es als Fehler, kein Ende parat zu haben. Ich sehe das anders. Trotz einem Plan brauche ich Spielraum für die Entwicklung der Geschichte. Manchmal ist es wichtig, dass Pläne offen genug sind, um andere Verläufe zuzulassen. Im Endeffekt ist die Zuspitzung auf das Ende wichtig, denn das Ende ist wie der Anfang eines Romans das Element, dass dem Leser auf jeden Fall in Erinnerung bleibt und sein Urteil über den Text stark beeinflusst. Mir fehlte die Pointe der Geschichte.
Ich kam bis an den Punkt, an dem sich die zwei Protagonisten nach zehn Jahren wiedersehen. Das sollte es gewesen sein? Eigentlich nicht. Irgendetwas Spannendes und Aufregendes muss am Ende passieren. Ein Ausrufezeichen, vielleicht auch ein Fragezeichen, irgendetwas mit dem der Leser überhaupt nicht gerechnet hat, ein letzter Überraschungsmoment, etwas, was den Atem stocken lässt. Jetzt treffen sich zwei Menschen nach zehn Jahren und erzählen sich ein wenig von Ihrem Leben. Wo soll da die Spannung herkommen? Lange musste ich darüber nachdenken. Ich habe munter weiter geschrieben und irgendwann war ich an den Punkt angelangt, an dem es nicht weiter geht, ohne das Ende zu wissen. Die Fertigstellung des Romans kam zum Erliegen. Mindestens zwei Wochen konnte ich kein Wort schreiben. Es ist mir einfach nichts eingefallen. Viele Varianten habe ich im Kopf durchgespielt. Alle schienen mir zu lasch und einfallslos zu sein. Letztendlich habe ich mir vorgenommen, verschiedene Versionen der letzten drei Seiten zu schreiben. Sich nicht festzulegen, sondern erst einmal spielerisch ausloten, was möglich ist, erwies sich als gute Idee. Das war mein Befreiungsschlag. Schon die erste Version hat das beste Ergebnis gebracht. Natürlich verrate ich hier nicht, was am Ende passiert. Aber nach drei weiteren Wochen war ich endlich fertig mit dem Text. Ich musste die letzten Seiten mehrmals überarbeiten. Beim Lesen habe ich sofort gemerkt, dass es durch das neue Ende mehrere Ungereimtheiten entstanden waren, die ich wegfeilen musste. Dann habe ich das Kapitel insgesamt noch einmal überarbeitet und nun bin ich fertig.
Aber ihr wißt ja, was das bedeutet….Jetzt fängt die Arbeit richtig an….mein Heimlektorat (meine Frau) muss den Text jetzt erst mal absegnen, dann suche ich Testleser….ist noch ein langer Weg. Ich werde berichten.