
Solidarität, Kooperation und gemeinschaftliches Handeln ist selten konfliktfrei. Es verlangt von allen Beteiligten Kompromissbereitschaft, Empathie und Selbstaufgabe. Nur da wo man anpackt, Verständnis für seinen Mitmenschen aufbringt und zumindest zweitweise bereit ist, seine eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen, erreicht man gemeinsam etwas. Uns Menschen zeichnet die Ambivalenz aus. Wir können beides: Unser Denken und Handeln auf uns selbst und die Gemeinschaft ausrichten. Die Grenzen zwischen Innen und Außen sind fließend.
Seitdem die Menschen voneinander verlangen, dass jedes Handeln einen wirtschaftlichen Ertrag bringen muss, ist es schwieriger geworden, die Bedürfnisse der Gemeinschaft vor die eigenen Bedürfnisse zu stellen. Wir vermarkten uns selbst und versuchen das Außen und das Innen zu verschmelzen. Wir werden zur Ware, die sich vor der Schlachtung selbst anpreist, wie das sprechende Tier im Restaurant am Ende der Welt.
Die Turnhalle scheint ein Relikt aus vergangenen Zeiten zu sein. Man trifft sich zum gemeinschaftlichen Sport. Es ist immer etwas zu viel Hall in der Halle, es ist zu kalt, es riecht nach altem abgestandenem Schweiß, die Farbe blättert von den Wänden, die Toiletten und Duschen sind eklig. Man geht lieber ins Fitnessstudio. Dort findet man klimatisierte Wohlfühlräume und hübsche Menschen, muskelgestählt, die einem ein flauschig weiches Handtuch reichen. Das Ziel ist es, stundenlang alleine auf einem Quadratmeter zu rennen oder Maschinen zu betätigen, in der Hoffnung dabei gesehen und bewundert zu werden. Das steigert den Marktwert des eigenen Selbst.
Die Turnhalle hätten wir in den letzten Jahren beinahe aufgegeben. Während Corona hat man Vereinen den Sport untersagt, man hat in ihnen Impfstationen eingerichtet oder Flüchtende einquartiert und bringt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, die Schwächsten unserer Gesellschaft gegeneinander auf.
Früher galten wir als Vereinsmeier und Freunde der Turnhallen und öffentlichen Schwimmbäder. Weder das Ehrenamt, noch die Randsportarten wie Handball, Tischtennis, Turnen etc. die zumeist in Turnhallen ausgeübt werden, sind ertragreich genug und auch die öffentlichen Schwimmbäder gammeln vor sich her, weil sie als Zuschussgeschäfte betrachtet werden.
Mittlerweile regt sich der Widerstand der Menschen, die nicht alles unter der Lupe der Wirtschaftlichkeit betrachten. Vielleicht noch rechtzeitig. Man weiß es nicht. Ich gehöre zu denen, die lange den eigentlichen Wert des Vereinslebens und der dazugehörigen Sportstätten nicht erkannt habe. Aber man wird älter und die schlechten Erfahrungen der Kindheit verblassen angesichts der Tatsache, dass meine Kinder und meine Frau sich sehr wohl in ihrem kleinen Verein fühlen und sie jedes zweite Wochenende in irgendeiner Turnhalle verbringen, die es zum Glück noch in fast jedem Dorf landauf, landab gibt. Dort spielen und trainieren sie Handball, ein rustikaler Sport, der auch in Deutschland erfunden wurde und schon immer im Schatten des Fußballs um Anerkennung kämpfen muss. Ein typischer Dorfsport. Viele Mannschaften in den obersten Spielklassen kommen aus kleinen Dörfern oder Kleinstädten. Auch Handball ist ein Opfer der Gewinnmaximierung. Es gibt kapitalkräftige Sponsoren, VIP-Loungen in den Hallen, einen korrupten Weltverband und schon 2015 gab es eine Weltmeisterschaft in Katar. Allerdings ist Handball in seinem Herzen und vor allem in Deutschland ein Provinzsport geblieben. Es hat vielleicht auch seine Vorteile, wenn man sich im Schatten des Fußballs bewegen muss.
Auch im Handball gibt es schon in den Jugendmannschaften eine marktorientierte Rivalität. So ganz kann man sich in der Turnhalle nicht vom Zeitgeschehen lösen. Aber während man im Fußball sogar schon bei den Grundschulkindern nach Talenten sucht, um sie an einen Verein zu verscherbeln, gibt es beim Handball noch die Breite im Leistungsspektrum und man hat die Chance, sich ohne Hintergedanken am gemeinschaftlichen Sport zu erfreuen. Ich schaue meinen Kindern gerne zu, wenn sie spielen. Meine Tochter ist sehr groß für ihr Alter. In ihrer Mannschaft steht sie häufig im Mittelpunkt des Geschehens. Obwohl ich sie immer für ein stilles und unauffälliges Kind gehalten habe, zeigt sie Führungsqualitäten. Gerade weil sie nicht am lautesten brüllt, sondern sich in den Dienst ihrer Mannschaft stellt. Mein Sohn steht oft im Tor und freut sich, wenn er einen Torwurf abwehrt. Er hat sich von Andreas Wolf, dem deutschen Torwart der Nationalmannschaft, die Jubelgesten abgeschaut und rennt wie irre mit erhobener Faust im Kreis herum. Er macht es nicht, weil er sich für den besten Torwart aller Zeiten hält, sondern weil er weiß, dass man als Mannschaft nur gewinnen kann, wenn man vorne Tore wirft und hinten den Kasten sauber hält. Und ich, der Vereins- und Mannschaftsmuffel (ich jogge seit Jahren alleine, weil ich alleine joggen will) stehe im Turnhallenkiosk und verkaufe, obwohl ich lieber den Spielen meiner Kinder beiwohnen möchte, Hotdogs, selbstgebackene Muffins und Brezeln und schütte anderen Eltern warmen Kaffee in ihre Tassen. Es ist schön zu sehen, wie sich alle wohlfühlen und ich dazu ein wenig beitragen kann. Es ist das kleine Turnhallenglück, auf das wir niemals verzichten sollten, weil es viel zu kostbar ist, auch wenn es keinen Gewinn abwirft.
🙂
So wahr und wichtig!
Musste ich mal loswerden😉
Und Hauptsache Hela-Gewürzketchup aufm Tisch. Brrrr! 😉
Da kommt wieder der Feinschmecker um die Ecke…dabei kann man mit dem Ketchup so schön alles Geschmäcker übertünche😉
Pach pah, pach päh! Ich bin wahrlich kein Feinschmecker, mag es schlicht und deftig, aber guter Curryketchup ist gar nicht viel teurer als diese überzuckerte Saupampe. 😀