Mein letzter Blogeintrag ist schon wieder ein paar Wochen her und ich hatte versprochen, auf die Kurzgeschichte näher einzugehen. Entgegen der landläufigen Annahme, Autoren ließen sich nicht in die Karten schauen, ist es mir ein dringendes Anliegen, die zukünftigen Leser meiner Romane mit auf die Reise zu nehmen. Man soll wissen, wie ich ticke. In dieser Hinsicht bin ich ein sehr schlechter Autor. Und in vielerlei anderer Hinsicht wahrscheinlich auch. Ich eigne mich nicht zum Massenphänomen. Eher verschwinde ich in den dunklen und staubigen Nischen der Bedeutungslosigkeit. Niemand sollte glauben, ich hadere. Im Gegenteil: mein Unvermögen ist meine Stärke. Ich muss nicht liefern, ich muss keinen Markt befriedigen, ich muss meine Zielgruppe nicht mit billigen Tricks ködern. Und daher, liebes Publikum, feuere ich die volle Ladung meines Dilettantismus auf auch ab.
Daher: ich weiß nicht, wie man einen Roman schreibt. Ich habe es des Öfteren getan, aber wie man seine Ideen pflegt wie ein geliebtes Haustier, um später daraus eine Geschichte zu extrahieren, ist mir dabei vollkommen verborgen geblieben. Manchmal am Ende einer Tiefschlafphase, wenn das Bewusstsein in meinen Hirnlabyrinth nach einem Ausgang sucht, überkommen mich Ideen für Geschichten. So fängt es immer an und so geht es auch immer weiter. Wenn ich bei einem Projekt feststecke, muss ich eigentlich nur dafür sorgen, dass ich gut schlafe und am nächsten Morgen Zeit zum Aufwachen habe. Dann ereilen mich die Lösungen für meine literarischen Rätsel sozusagen im Schlaf.
Was habe ich aus den letzten Projekten gelernt: Verwurste nicht jede Aufwachidee zu einem Text. Schreib die Idee erstmal auf und entwickle sie. Bei den letzten beiden Projekten habe ich mich dermaßen verzettelt, die Geschichten zu unbeherrschbaren Monstern aufgebläht, kam doch immer eine neue Idee dazu, die ich sofort in meinen Text einfügen musste. Die Text-Konglomerate wurden immer größer, immer undurchschaubarer und immer zusammenhangloser. Also habe ich mich bei meinem jetzigen Projekt für eine ganz andere Herangehensweise entschieden. Ich notiere in einer Kladde handschriftlich einen Plot, gerne schon detaillierter und schon zum Teil mit Ideen für ganze Kapitel. Wenn ich Seite um Seite schon produziert habe, fällt es mir schwer, etwas aufzugeben. Das Herz hängt am Text. Jeden Satz habe ich mir aus dem Hirn geprügelt und dann soll ich ganze Handlungsstränge streichen? Wenn ich in einer Kladde Ideen formuliere, habe ich noch nicht viel investiert. Ich kann den ganzen Bums immer noch ohne Verlust verkaufen…mache ich dann auch.
In der ersten Version meines neuen Projektes, das noch keinen Titel trägt, gab es eine ellenlange und verzwickte Vorgeschichte rund um die männliche Hauptfigur. Das Drama seiner Jugend: der Vater, der die Jugendliebe des Protagonisten vergewaltigt und dann vom besten Freund der Hauptfigur eins auf den Schädel bekommt. Der Vater wird mit einem fingierten Unfall um die Ecke gebracht, die Jugendliebe und der beste Freund flüchten aus dem Heimatort..Stoff für meinen nächsten Krimi, den ich niemals schreiben werde. Falls irgendein Lokalkriminalist eine Story sucht, ich kann sie gegen ein kleines Entgelt abgeben. Ich habe den gesamten Plot in meine Kladde über die Sommerferien hinweg notiert und schon beim Schreiben meine Überforderung konstatieren müssen. Wenn ein Handlungsstrang oder ein Stoff nicht wächst, sondern wuchert, weil man mit jeder neuen Idee die Mängel zukleistern muss, sollte man schnell handeln. Ich hatte den Plot schon fast zu Ende gebracht und war schon beim Konzipieren der letzten Kapitel total genervt. Ich habe die Kladde zur Seite gelegt und mich mit der Kurzgeschichte beschäftigt. Fabian und Leonie Rabe sind die Protagonist:innen des Romans. Um Ihre Beziehung dreht sich die Geschichte. In der Kurzgeschichte stehen sie noch am Anfang Ihrer Beziehung. Sie haben sich kennengelernt und fahren zum ersten Mal miteinander in den Urlaub. Kurz vorher hatte ich selbst mit meiner Familie im Chiantital Urlaub gemacht. Ich war schon mehrfach dort und es ist für uns ein kleiner Sehnsuchtsort. Daher fiel es mir leicht, die Umgebung zu beschreiben. Aber der Ort ist vollkommen egal. Wichtig ist, dass sie noch ineinander verliebt sind und trotzdem schon erkennen müssen, dass es Reibungspunkte gibt, weil sie unterschiedliche Vorstellungen haben. Der normale Verlauf einer modernen Beziehung. Man gönnt sich die ersten Jahre ein wenig Romantik, hängt aufeinander und weiß eigentlich schon, dass der Alltag die Liebe zerstören wird. Das ist nicht schlimm, das ist der Lauf des Lebens. Sich die Liebe zu einem eigentlich fremden Menschen zu bewahren, geht nur, in dem die Beteiligten miteinander sprechen und wertschätzend und vertrauensvoll miteinander umgehen. Fabian und Leonie sprechen schon nicht mehr miteinander, sie verharren in ihren eigenen Welten und die Liebe wird höchstens verklärt, aber nicht mehr gelebt. Die nächsten Jahre werden sie viel Kraft kosten und beide werden der Meinung sein, dass sie viel zu viel in den anderen investiert haben und dabei ihre eigenen Bedürfnisse auf der Strecke geblieben sind. Das ist der Kern des Romans und jede weitere Handlungsschicht muss passgenau aufeinander aufbauen. Alles andere werde ich nicht zulassen können. Keine Ausflüge mehr zu den Monstern!
Als ich die Geschichte geschrieben hatte, hatte ich die Namen für die Protagonist:innen gefunden und mich entschlossen, den ersten Plot zu streichen und mich wieder an die Arbeit zu machen. Bei alten Projekten hätte ich geschriebenen Text, vielleicht hunderte von Seiten, korrigieren und anpassen müssen. Kugelschreibernotizen in Papierheften haben noch keine Romanqualitäten. Mir fällt es leicht, aufbauend auf den alten Plot einen anderen Plot zu entwickeln. Ich spare Zeit und hangele mich nun von Version zu Version und zwischendurch garniere ich meine Notizen mit Kurzgeschichten zu bestimmten Begebenheiten oder Romanfiguren. Am Ende sollte der eigentliche Romantext mir nur noch aus den Fingern fließen (Wer es glaubt, ist selbst dran schuld.)