Sollte man seine schärfste Kritikerin heiraten?

Die Frage stellt sich mir gar nicht mehr. Ich habe Sie schon vor neun Jahren geheiratet. In vielen Lebensbereichen betrachtet mich meine Ehefrau durch eine rosarote Brille und lässt nichts auf mich kommen. Ich sehe dann, wie sie mich verliebt anstarrt und mich mit den schönsten Umschreibungen auf einen Sockel hebt von dem ich niemals herunter fallen werde. Sie beginnt dann ihre Sätze mit „Mein Mann“. Wenn sie mir die Ehre erweist und mich als ihr Eigentum bezeichnet, impliziert das auch meine Einzigartigkeit, denn die Stelle als ihren Mann hat sie nur einmal vergeben und die habe ich hoffentlich lebenslang inne.

Und trotzdem bin ich nicht der Traummann für alle Fälle. Manchmal legt sie es darauf an, meine Unzulänglichkeiten bloßzustellen und mich in die Schranken zu weisen. Oftmals denke ich, ihre Attacken werden mit der Dauer unserer Beziehung heftiger und sie lässt sich häufiger dazu hinreißen. Bei genauerer Betrachtung stelle ich fest, dass sie schon immer zwischen Jubel und Tadel in schöner Sinusregelmäßigkeit hin- und her oszillierte.

 Es könnte aber auch am oszillieren meiner Selbstwahrnehmung liegen, die einer phasengleichen Schwingung unterliegt wie das Verhalten meiner Frau. Manchmal fühle ich mich wertlos, nicht wertgeschätzt, unsichtbar, glaube nicht an meine Fähigkeiten oder gehe fest davon aus, dass sie niemand außer mir wahrnimmt. Zwei Minuten später spucke ich selbstverliebte Lobeshymnen auf mein Intelligenz, meine Fähigkeiten und meine überragende Persönlichkeit aus. Ich hinterlasse dann den Eindruck, vollkommener Entrücktheit und einer damit verbundenen Arroganz, die alle Anwesenden kalte Luft durch die Zahnreihen ansaugen lässt.

 Ich kenne ja die Ursache meiner Unausgeglichenheit. Ich weiß, wie ich groß geworden bin und in welch merkwürdiger Versuchsanordnung ich meine Kindheit und Jugend verbracht habe. Äußerlich betrachtet bin ich ein typisches westdeutsches Kind, aufgewachsen in den Siebziger- und Achtziger Jahren, wohlbehütet und gut versorgt. Viele aus meiner Generation wissen, was sich hinter der Fassade aus Neubaugebieten, Pauschalreisen in den Süden, Sportschau, bunten Plastikpullis, Farbfernsehgeräten, Videorecordern, C64 Home-Computern und Tiefkühltruhen verborgen hat: Lieblosigkeit, Zukunftsängste, soziale Kontrolle und die Ablehnung bestimmter Denkweisen.

 Ich habe mich in der Welt meiner Kindheit fehl am Platz gefühlt. Meine ganze Kindheit war bestimmt durch die unbestimmte Ahnung, dass irgendetwas nicht mit mir stimmt. Heute weiß ich: Mit mir war mehr in Ordnung als ich damals wissen konnte. Das ist die Kurzversion der Geschichte meiner psychischen Defizite. Wer sich aber fehl am Platze fühlt, wird entweder ausbrechen oder verhaltensauffällig werden. Ausbrechen versuche ich immer wieder (und scheitere) und verhaltensauffällig werden kann ich auch.

 Meine kindliche Erfahrung hatte auch positive Auswirkungen auf mich. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund bin ich relativ bodenständig und verantwortungsbewusst geworden. Meine Macken sind nicht sofort sichtbar und ich bin kein Typ mit irren Blick, der den ganzen Tag damit verbringt, seine Umgebung zu terrorisieren. Irgendwie hat mich meine gefühlte Andersartigkeit dazu bewegt, über meinen Horizont hinauszuschauen und neue Welten für mich zu entdecken.

 Und weil mir immer alle meinen Entdeckerreisen ausreden wollten, habe ich mir eine Hartnäckigkeit und Ausdauer anerzogen, die glücklicherweise auf alle Lebensbereich ausstrahlt. Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, gebe ich nicht auf, bis ich mein Ziel erreicht habe. Ich habe keine Angst vor unbekannten Terrain und ich brauche immer wieder neue intellektuelle Impulse, um meine Zufriedenheit zu spüren.

 Meine Frau ist in einem ähnlichen Milieu groß geworden und doch hat sie eine ganz andere Persönlichkeitsstruktur. Sie denkt geradeaus und hat die seltene Fähigkeit, sachlich und pointiert ihre Standpunkte darzulegen. Sie ist eine kleine und starke Frau, die beim Gehen ihren Kopf immer leicht anhebt und die absolut mit sich im Reinen zu sein scheint. Allerdings schlummern in ihr auch die kleinen Monster der Unzulänglichkeiten. Sie hat sie nur besser unter Kontrolle und ist immer wieder darauf bedacht, ihre inneren Kämpfe still mit sich selbst auszutragen.

Wenn man sie fragt, ob irgendetwas was nicht in Ordnung sei und als Antwort ein Nix bekommt, sollte man in Deckung gehen. Die Bombe in ihr könnte jederzeit platzen. Oft schafft sie es, sie zu entschärfen, aber manchmal fliegt die Bombe allen um die Ohren.

 Zudem sind wir beide Menschen, die sich mit vielen Themen intellektuell auseinandersetzen, oft gemeinsam in intensiven Gesprächen, aber bei manchen Themen denken wir für uns alleine.

 Gerade in Bezug auf Musik und Literatur sind wir höchst unterschiedlich gepolt. Ich mache mich immer lustig über ihre Ahnungslosigkeit in Sachen Musik. Am liebsten dudelt sie die alten Techno- und Grungehits aus den Neunzigern vor sich her (was an sich schon eine krasse Mischung ist). Ich habe alle möglichen Stilrichtungen und Epochen, Pop, Rock, Heavy, ProgRock, Elektro, Minimal, Klassik von frühester Kindheit erforscht und durchdrungen. Die Musik war für mich neben der Literatur die Möglichkeit mich selbst zu bestimmen und die Lieblosigkeit meiner Umgebung zu überwinden. Meine Frau und ich haben beide einen emotionalen Zugang zu Musik. Bei mir ist es nur so, dass ich ständig heulen muss, weil ich ergriffen bin und sie sucht das heillose Vergnügen in schönen Melodien.

 Noch schlimmer ist es bei der Literatur. Natürlich haben wir einen gemeinsamen Kanon, der aber irgendwie immer kleiner wird. Ich lese typische „Männerliteratur“ (ja auch Hannah Ahrendt hat Männerphilosophie betrieben, ihr blieb nichts anderes übrig), große kluge Männerköpfe, die entweder mit großen Wortkaskaden die Welt durchdringen und beschreiben oder mit ihren komplexen und natürlich politisch gefärbten Texten alles nur noch komplizierter machen wollen. Sie liest „Frauenliteratur“, Bücher (manchmal auch von Männern geschrieben), emotionale Schlachtschiffe, Familienepen, immer leicht esoterisch angehaucht.

 Ich glaube der letzten kleine gemeinsame Nenner war dieser Franzose, Edouard Louis, mit seinen ersten zwei Büchern, die ja irgendwie neben viel Sozialkritik auch eine Familiengeschichte erzählen und in seiner gesamten Tragik sehr emotional rüberkommen, die perfekte Mischung zwischen unserem Verständnis von Männer- und Frauenliteratur.

 Meine Frau könnte niemals Gefallen an Thomas Pynchon finden und ich könnte niemals diese Ferrante-Trümmer lesen.

 Als sie meinen Roman zum ersten Mal in die Finger bekam, hat sie die Struktur zu Recht kritisiert und ich habe ihn noch einmal komplett überarbeitet. Und weil ich von ihrem klaren Urteil begeistert war, habe ich ihr die zweite Version wieder zum Lesen gegeben.

 Monatelang habe ich sie angebettelt, sie möge doch die dreihundert Seiten über sich ergehen lassen, sie müsse mir doch nur mitteilen, ob der Text ihre formalen Kriterien eines guten Romans erfülle (Ihre Vorgabe war: schreib deinen Roman wie deine Kurzgeschichten).

 Sie hat sich gewunden, Ausreden gesucht, naja der Sommer war stressig, die Pandemie, wir haben unser Haus modernisiert, habe ich ja gerne Verständnis für aufgebracht. Jetzt nach einem knappen dreiviertel Jahr hat sie mir ihr Urteil über das erste und zweite Kapitel überbracht. Das wäre ja alles total unglaubwürdig. Sie käme ganz schwer in die Geschichte rein. Die zwei Hauptfiguren seien so arrogant und unsympathisch. Warum sie mit dieser Amerikanerin durch Florenz laufen, dass macht ja überhaupt keinen Sinn! Ich habe sie dann darüber aufgeklärt, dass das ganze Buch schon einen gewissen Spannungsbogen habe und die Entwicklung der Figuren das ganze Buch in Anspruch nähme, man am Ende erst die Zusammenhänge verstehe und man ja auch deshalb das Buch lese, weil man die Auflösung am Ende erwarte. Dann habe ich noch irgendetwas von Suspense a la Hitchcock erzählt, ist ja auch so ein Männerding, nackte blonde Frauen, die in Duschen gemeuchelt werden. Sie ist während meiner Ausführungen vor mir weggelaufen und als ich sie im Wohnzimmer in die Enge getrieben hatte, hatte ich noch ein Beispiel parat: Der talentierte Mr. Ripley! Der arrogante Narzisst, die die ganze Zeit damit verbringt seine Verbrechen und seine Identität zu verbergen. „Von einer Frau geschrieben“, rufe ich aus. Meine Gattin starrte mich ungläubig an. Was denn das für ein Beispiel sei? Nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, versprach sie mir, meinen Roman zu Ende zu lesen. Sie könne allerdings immer nur vier oder fünf Seiten lesen und dann müsse sie aufhören, weil sie der ganz abgehobene Sprachduktus nerve. Sie hat mir dann noch meine Flüchtigkeitsfehler vorgeworfen.

„Du hast außerdem geschrieben: Er ist zur Tür hinausgeschlürft!“

Während sie das Wohnzimmer verließ, um sich wieder ihren Arbeiten zu widmen, amüsierte sie sich über meinen Fauxpas. Zu meiner Verteidigung rief ich ihr noch hinter her, dass das jedem Autoren passiere und dass es deswegen nun einmal Testleser und ein Lektorat gäbe. Sie hat es absichtlich überhört.

So haben sich also Autoren gefühlt, die mit ansehen mussten, wenn Marcel Reich-Raniciki ihre Bücher im literarischen Quartett verbal vernichtet hat. Mittlerweile bin ich alt genug, um auch daran nur das Positive zu erkennen.  Wenn ich die Kritik meiner Ehefrau überlebe, muss ich mich vor keinem anderen Kritiker mehr ängstigen. Vielleicht ist das der ganze Clou an der Sache. Ich habe vielleicht in dem Bewusstsein, dass mir nichts mehr geschehen könne, wenn meine schärfste Kritikerin meine Ehefrau wird, diese Frau geheiratet. Wer weiß das schon?

Der Winter drückt aufs Gemüt

Die winterliche Tristesse, die Melange aus Dunkelheit, Nässe und Kälte, erzeugt in mir keine romantischen Empfindungen. Ich kann mich nicht für schwülstige Abende am Kaminfeuer erwärmen und auch kuschelige Sofaepisoden, Schafsfellschuhe, Wärmflaschen, Dinkelkernkissenorgien und heißer Tee führen bei mir nicht zu bewusstseinserweiternde Wintererfahrungen. Winterspaziergänge und die klare kalte Luft pusten mein Hirn auch nicht durch und erwecken meine müden Glieder…egal was mir der Winter verspricht, ich stehe immer kurz vor einer Melancholie, fühle mich abgeschlagen, leer und friere mich zitternd durch den Tag.

 Das hat auch leider eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf mein schriftstellerisches Schaffen. Ich habe das Gefühl im Sommerhalbjahr das aufholen zu können, was ich im Winter versäumt habe. Über die Jahre habe ich mir meine Schreibroutine angewöhnt, die ich im Winter auch nicht unterbreche. Am Wochenende schreibe ich jeden Tag mindestens zwei bis drei Seiten Romantext. Im Sommer fällt mir das leicht. Bei Sonnenschein, mit meinem Autorenbesteck an meinem Lieblingsplatz, sehe ich den Weintrauben beim Wachsen zu und schreibe fröhlich vor mich her. Ich bin in der Lage das Geschriebene zu reflektieren und habe das Gefühl, die richtigen Worte zu finden. Im Winter sitze ich vor meinem Bildschirm und presse jedes Wort aus meinen verdorrten Hirnwindungen. Es fällt mir so schwer an meiner Routine festzuhalten. Oft lege ich schon meine Schreibpausen, die ich immer nach einem abgeschlossenen Abschnitt einlege, in den Winter. Ich muss mich dann wieder zum Weitermachen zwingen, spätestens zum Jahresbeginn, wenn ich Urlaub habe, muss es weitergehen. Bloß den Schaffensprozess nicht abreißen lassen. Es ist schon schlimm genug, dass ich so viele Jahre für ein Romanprojekt brauche (ich mag jetzt gar nicht darüber nachdenken wieviel Jahre ich für Roman zwei und Roman drei schon aufgewendet habe, sonst verstecke ich mich unter dem Wohnzimmertisch und komme im Frühling erst wieder raus)

 Spätestens Ende Januar ergießt sich pechschwarzer Teer zäh und langsam über mein Leben. Es wird kaum spürbar morgens früher hell und abends später dunkel. Das Wetter ist trübe und die Kälte saugt mir allen Willen und Lust am Denken aus dem Schädel. Ich lasse alle Hoffnung auf den Frühling fahren. Seltsamerweise habe ich in diesem Winter ca. 89 Seiten geschrieben. Ich hatte in einem früheren Beitrag über den geplanten Inhalt des aktuellen Teils berichtet. Später werde ich noch einmal darauf zurückkommen und vergleichen, ob ich bei meinem Plan geblieben bin und auch den Empfehlungen meiner Abonnenten gefolgt bin. Ich bin selbst gespannt, ob ich meinem Plan treu bleiben konnte oder nicht!

Nicht Reihe 3, Platz 58 und 59 – Gold von Philipp Gärtner

Liebes Theater, da bin ich wieder! Ich habe den ganzen Tag gearbeitet, mir den Mund fusselig geredet, bin von einem Ort zum nächsten gehetzt und was machst du? Du zeigst mir ein Stück über die Apokalypse, das in einem Streitgespräch zwischen zwei Autos mündet. Schäm dich! Ich brauche Unterhaltung! Ach so, das ist Unterhaltung?!

 Neue Autoren und neue Stücke waren früher am Theater in der Provinz nicht gern gesehen. Sie stifteten Unruhe, weil sie neue Gedanken formulierten, denen man genauso misstrauisch begegnete wie Hausbesetzern, Gastarbeitern oder Grünen-Landtagsabgeordneten. Ich kann mich noch an die Theaterabenden in den Neunzigern erinnern, als alte graue Männer in  Beerdigungsanzügen und alte graue Frauen mit Dauerwellen im Abendkleid moderne Inszenierungen und neue Autoren gnadenlos ausgebuht haben oder das Theater während dem ersten Akt türenknallend verlassen haben. Ein emotionaler Ausbruch bürgerlicher Dünnhäutigkeit in der Spätphase der Bonner Republik.  Und das obwohl das neue deutsche Regietheater a la Castorf mit nackten, wahlweise kopulierenden oder blutüberströmenden Darstellen vollkommen an der Provinz vorübergegangen war. Es reichte schon, wenn man einen Schiller neu interpretierte, um den Unmut des Bildungsbürgertums zu erregen.

Glücklicherweise sind diese Zeiten vorbei. Der Zuschauer ist offener für Neues geworden, begrüßt neue Interpretationen und neue Impulse durch unbekannte Nachwuchsautoren.

Philip Gärtner hat mit Gold ein solches Stück geschrieben. Berichte über das Leben nach der Apokalypse, nach dem „Great Reset“ wie die Verschwörungsschwurbler gerne dazu sagen, sind in den letzten Jahren zu einem wichtigen Bestandteil der urbanen Mythen geworden, die man sich gerne im Kino oder auf Netflix erzählt. Sie reichen oft ins Fantastische und beschreiben die Welt nach der Apokalypse als gefährlichen Ort, in dem die letzten Überlebenden gegen Zombies, Außerirdische, Viren und andere Gefahren aus unseren Alpträumen zu kämpfen haben. Ähnlich wie früher Märchen sind sie die leibhaftigen Warnschilder einer Zivilisation, die sich vor sich selbst schützen muss.

Da ist es schon ein fieser Move, wenn sich Phillip Gärtner das Sterntalermärchen der Brüder Grimm als Referenz nimmt und die Geschichte eines Mädchens erzählt, dass ganz arglos durch seine graue und armselige Welt stapft und das Opfer seiner eigenen Naivität wird. In beiden Fällen kommt es zur Befreiung vom Elend, in dem Gold vom Himmel fällt. Im Märchen folgt der Wohlstand und im Theaterstück erfolgt die Befreiung vom Kapitalismus, der dem Erreichen des Wohlstands für Wenige die Menschlichkeit und Solidarität unterordnet.

Das Theaterstück besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird der soziale Abstieg von Tilda erzählt, die in Folge eines Unfalls, den sie nicht verursacht hat, alles verliert, bis sie in einem Supermarkt als Ladendiebin festgenommen wird und in dem Moment als sie am tiefsten Punkt ihres Elends angelangt ist, Goldklumpen vom Himmel fallen, die die Welt zerstören. Im zweiten Teil erleben wir die Zeit nach der Apokalypse, bruchstückhaft werden verschieden Schicksale beschrieben und zwischendurch hören wir Sprachaufzeichnungen, die Tilda mit ihrem Handy aufgenommen hat. Sie beschreibt ihre Flucht in die Kanalisation. Anfangs scheint sie Angst zu haben, aber je weiter sie in die Kanalisation vorankommt, weicht die Angst einer Euphorie und am Ende scheint sie sich von ihrem Schicksal befreit zu haben.

Das Stück ist gespickt mit Details, mit sprachlichen Finessen und einem anspruchsvollen Wortwitz, der manchmal etwas rüpelig wirkt, aber eigentlich von der eigentlichen Sprachkunst des Autors zeugt. Er macht die Apokalypse zum Ort einer philosophischen Auseinandersetzung mit dem Dasein des Menschen an sich, für den doch eigentlich die  Apokalypse Alltag ist und der sich darin völlig verliert. Und es gipfelt wirklich in einem Gespräch zwischen einem Nissan Micra und einem Mazda 323. Ein Dialog zweier empfindsamer Maschinen, die in dem Stück die einzigen Menschen zu sein scheinen, bis ihnen von Plünderern die Batterien aus dem Motorraum geklaut werden und sie schweigen.

Wie immer hat das Ensemble in einem spartanisch ausdrucksvollen Bühnenbild eine runde und ansprechende Leistung vollbracht. Mehr gibt es dazu gar nicht zu sagen.

Diesmal gab es also keinen Grund das Theater vorzeitig zu verlassen. Entertainment gab es keins. Allerdings eine unterhaltsame Auseinandersetzung mit der Gegenwart und ihrem Hang zum Untergangsszenario.  

 Nicht Reihe 3, Platz 58 und 59 – Der zerbrochene Krug von Heinrich v. Kleist

Wir waren seit einem Jahr nicht mehr im Theater. Es fühlte sich an wie ein Hundejahr.  Auf der Fahrt ins Theater ließen ich und meine Frau es Revue passieren und entdeckten nichts außer gähnende Leere und ein paar Impfdosen.

Ein lauer Klassiker aus dem Stückekanon der deutschen Theaterliteratur sollte unsere Laune verbessern!? Der Spielplan gibt es vor und ich war skeptisch, ob man das „Lustspiel“ rund um den Dorfrichter Adam, der korrupte Antiheld, der die Nötigung und Vergewaltigung eines jungen Mädchens verschleiert, um nicht selbst auf die Anklagebank zu geraten, in solchen Zeiten überhaupt inszenieren sollte?

Zum Glück hatte sich die Regisseurin Katharina Ramser genau die gleiche Frage gestellt und aus ihrem Unbehagen ein Konzept entwickelt, dass dieses in antiquierten Geschlechterverhältnissen verhaftete aber wahnsinnig gut geschriebene Stück in die Gegenwart holt und damit eine Aufgabe des Theaters erfüllt, die mich schon sehr früh zum Theaterfan gemacht hat. Theater soll verwirren, soll den Zuschauer dazu bringen, das eigene Denken und Handeln in Frage zu stellen und neue Horizonte eröffnen, die eine politische und gesellschaftliche Entwicklung vorantreiben können.

Erst einmal zu den Rahmenbedingungen: man hat sich im Stadttheater Gießen für den Zuschauerraum eine Schachbrettlösung einfallen lassen. D.h. Jeder zweite Platz ist besetzt und sogar Abonnenten, die aus einem Haushalt kommen, müssen einen Platz zwischen sich frei lassen. Außerdem gilt auch während der Vorstellung Maskenplicht. Dafür bleiben die Türen zum Zuschauerraum während der Vorstellung geöffnet, um einen Luftaustausch zu ermöglichen und die Pause entfällt. Zwischen meiner Frau und mir ist ein Platz frei. Wir packen unsere Jacken auf den Sitz und sind noch unsicher, ob wir uns auf den Abend freuen dürfen.

Für uns fing der Abend hektisch an. Wir waren in Wetzlar zu spät losgefahren, haben erst keinen Parkplatz gefunden und sind zwei Minuten vor dem Beginn der Vorstellung auf unseren Plätzen gelandet. Wir haben uns nicht viel vorher mit dem Stück beschäftigt und ich muss zugeben, ich habe das Stück noch nie gesehen oder es gelesen.

Es geht ja nur um einen zerbrochenen Krug und das Gewese darum, meint man zumindest als oberflächlicher Theaterbesucher. Schon als der Vorhang aufgeht wird man vom Bühnenbild überrascht: Ein riesiger Flokati hängt von der Decke herunter und die Schauspieler rollen einer nach dem anderen unter dem Teppich hindurch. Das Gerichtsverfahren rund um die Beschädigung des Kruges ist nur die Oberfläche und wie beim Teppich wird der ganze Dreck unter den Stoff gekehrt.

Vielleicht sollte man an der Stelle die Idee der Inszenierung erklären. Katharina Ramser hat ihr Konzept in einem Podcast des Stadttheaters sehr anschaulich erklärt. In Zeiten, in der die Frage nach der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht mehr nur diskutiert wird, sondern auch durch Enthüllungen wie bei MeToo  die konkreten Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau in Frage gestellt wird, kann man das Stück in der bisherigen Form nur mit Bauchschmerzen inszenieren.  

Schließlich geht es doch um den alten weißen Mann, der seine Machtposition als Dorfrichter ausnutzt, um ein junges Mädchen, dass ihn um Hilfe bittet, zu missbrauchen und wahrscheinlich auch zu vergewaltigen (das wird natürlich in dem Stück niemals ausgesprochen, aber durch den zerbrochenen Krug als Symbol für die verlorene Unschuld angedeutet). Gleichzeitig ist das Stück als wahnsinnig flott und witzig geschriebenes Stück nicht umsonst das meistgespielte Stück der letzten hundertfünfzig Jahre in Deutschland. Katharina Ramser hat die Qualität des Stückes erhalten wollen, aber nicht um jeden Preis, indem sie dem Dorfrichter Adam nochmals die Gelegenheit gibt, sein Verbrechen auf der Bühne kleinzureden. Hätte sie ihre Inszenierung als Moralsaure Verurteilung des Autors und seines Stückes angelegt, hätte sie all die Qualitäten des Stückes zerstört.

 Also hat sie einfach die Rollen getauscht. Alle Männerrollen werden von Frauen gespielt und umgekehrt. Aber dann verwandeln sich die Frauen in ihren Rollen ja zu Bösewicht*Innen? Durch die stringente Geschlechteranpassung erkennt man als Zuschauer*In, dass es gar nicht mehr um die Frage geht, ob Männer oder Frauen an sich zum Machtmissbrauch fähig sind. Der Machtmissbrauch, die Korruption wird von der Geschlechterzuordnung getrennt. Dabei entsteht viel Reibung und viele Fragen, die dem Zuschauer*Innen durch den Kopf gehen sollte, wenn sie den Akteuren auf der Bühne zuschauen. Man fragt sich, warum das Opfer so ein Weicheityp ist und warum der Revisor wie eine Domina rüberkommen muss und nach einer gewissen Zeit vergisst man diese dümmlichen Fragen, die sich mit dem Geschlecht beschäftigen und man sieht nur noch die Geschichte um den Machtmissbrauch.

Das Ensemble hat sich wacker geschlagen  und für uns war es ein kurzweiliger Abend, der uns zum Nachdenken über die eigene Haltung zur Geschlechterfragen angeregt hat. Nach neunzig Minuten hinter der FFP2-Maske freue ich mich über das Ende des Stückes. Die Botschaft des Stückes schien angekommen zu sein, denn der Applaus wollte nicht abebben. Für uns ein unerwartet gelungener Neustart nach einem Jahr Theaterpause.

Mijn eerste reis met de elektrische Auto…Teil 3 Urlaub 

Wir sind nun schon zum fünften oder sechsten Mal in Oostkapelle. Ich weiß, was mich in dem kleinen Ort erwartet und daher kann ich mich immer schnell akklimatisieren. Die klar strukturierte Landschaft, die dem Auge des Betrachters trotz ihrer Kargheit unzählige Details bietet, das maritime Klima, die salzige Seeluft erzeugen in mir schnell ein Wohlempfinden, das ich gerne genieße. Dabei vergisst man schnell, dass die Niederländer unter größten Anstrengungen und Opfer dieses Land dem Meer abgerungen habe.   Angesichts dieser Leistung scheint die Unfähigkeit vieler deutschen Kartoffeln, sich Veränderungen anzupassen, in dem sie sich mit neuen Zivilisationstechniken auseinander setzen, wie ein Hohn auf die Fähigkeiten der Menschheit. Lieber empören sich die Kartoffeln, anstatt einfach mal etwas auszuprobieren. Sie motzen über die E-Autos und dass Ihnen das Fahrgefühl eines Verbrenners weggenommen wird und damit ihre persönliche Freiheit, sie fabulieren über die Wasserstofftechnik, die sie abwarten wollen, sie entdecken ihr Gewissen als Verbraucher und erzürnen sich plötzlich über den Abbau der seltenen Erden, die für die Herstellung der Akkus benötigt werden, haben aber Jahrzehntelang den Raubbau von Rohstoffen in den entlegensten und ärmsten Gegenden der Welt mit einem Achselzucken goutiert, Hauptsache sie müssen nicht in ein Elektroauto steigen.

 Ich habe nach dem Frühstück mein Auto an eine Ladesäule gebracht. Nicht weit von unserem Ferienhaus liegen die Dünen und der Strand und davor befindet sich ein großer gebührenpflichtiger Parkplatz mit einer Ladesäule.

 Die etwas altertümlich erscheinende Ladesäule ist frei. Es gibt kein Display, nur ein LED, dass mit verschiedenfarbig strahlt, um den Ladezustand anzuzeigen. Meine Shell-Karte funktioniert sofort, bis der Strom fließt dauert es eine Weil. Nach zwei langen Minuten steigt die Party und der Strom fließt. Ich schaue auf das Tachodisplay meiner ZOE (das Quietschen ist nicht mehr angebracht. Ich und meine Auto haben jetzt eine erwachsene Beziehung).

 Wir hatten einen langen Spaziergang am Strand eingeplant und da kommt mir die viereinhalb Stunden Ladezeit gerade recht.

 Am Strand, der Sonne und dem Wind ausgesetzt, laufen wir vier ca. Kilometer durch den nassen Sand, immer an der Wasserlinie entlang, nach Domburg.

 Domburg ist beliebter Ort für Touristen, mit Hotels, einer kleinen Fußgängerzone und unzähliger kleiner Restaurants, Eisdielen und Gaststätten. Für Oktober ist es zu warm und die Sonne strahlt ungehindert am wolkenarmen Himmel. Das zieht natürlich die Menschenmassen an, die die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres genießen wollen, bevor die Finsternis, Regen und Kälte die unbarmherzige Seite des Herbstes offenbart.

 Wir setzen uns in ein kleines Cafe, trinken etwas und laufen durch den Wald, der hinter den Dünen liegt wieder nach Oostkapelle zurück. De Manteling ist ein Stück Waldidylle hinter den Dünen. Lange Alleen mit schiefen Bäumen, breiten Chauseen wechseln sich ab mit kleinen Pfaden, die durch niedrige Haine führen und auf der Hälfte des Weges im Wald liegt das Schloss Westhove inmitten eines Parks. Am Ende des Weges erreichen wir ziemlich abgekämpft und hungrig wieder den Parkplatz hinter dem Strand. Der Akku ist schon lange vollgeladen, der Parkplatz ist mittlerweile überfüllt, mein Parkticket schon seit zwei Stunden abgelaufen.

 In den Tagen darauf habe ich überall nach Ladesäulen Ausschau gehalten, um mir einen Überblick zu verschaffen. In all meinen Apps und Routenplanern wurden immer die gleichen Ladesäulen in Oostkapelle angezeigt. Ich habe mit dem Auto oder zu Fuß alle aufgesucht und war enttäuscht. Entweder gehörten die Ladesäulen zu Campingplätzen und Hotels und lagen auf beschrankten Parkplätzen oder es handelte sich um privaten Wallboxen.

 Nur an einem Hotel im Ortskern gab es eine frei verfügbare Ladesäule, zu Fuß ungefähr eine Viertelstunde von unserer Ferienwohnung entfernt. Ansonsten gab es überall an großen Parkplätzen, in zentralen Lagen, an Sehenswürdigkeiten ausreichend Ladesäulen. Gerade in Städten gab es mehr als ausreichend Ladesäulen, die ich auch alle mit meiner Shellkarte hätte nutzen können.

Ich bin also in der Woche nie in Schwierigkeiten geraten und mir stand zur jederzeit genügend Reichweite zur Verfügung, um wieder nach Hause zu kommen.

 Verglichen mit der Dichte an Ladesäulen bei uns in der Gegend, sind die Niederländer schon ein Stückchen weiter als wir.

 Z.B. waren wir im Watersnoodmuseum in Ouwekerk mitten in der Einöde, abseits der Hauptstraße. Das Museum schildert sehr eindrücklich die Auswirkungen der großen Sturmflut von 1953. Am Besucherparkplatz gab es zwei Ladesäulen. Während einem Museumsbesuch das Auto aufzuladen, finde ich sehr effektiv. Bei uns gäbe es an einem solch abgelegenen Ort keine Ladesäule.

 Ich bin kein großer Kenner des niederländischen Gemütes und die Niederländer sind mir manchmal ein Rätsel. Ich finde die Widersprüche und Brüche im gesellschaftlichen Handeln sind wesentlich frappierender und auffälliger als bei uns. Wir Kartoffeln neigen zum Konservatismus und Trägheit. Fortschritt und Veränderung macht uns eher Angst.

 Die Niederländer scheinen die Widersprüche ihres Handelns besser aushalten zu können.

 Ein paar Beispiele: In den Niederlanden könnte man durch die Affinität der Niederländer zum Radfahren den Eindruck bekommen, sie hätten die Verkehrswende schon hinter sich, die uns noch bevorsteht. In jedem größeren Ort gibt es regelrechte Fahrradautobahnen. Das Fahrrad hat immer Vorrang vor dem Auto. Leider ist dem nicht so. Genauso wie bei uns ist die Verkehrsinfrastruktur auf das Auto ausgelegt. Der öffentliche Nahverkehr, gerade in ländlichen Gegenden, wird genauso stiefmütterlich behandelt wie bei uns. Im Zug kann man im Regionalverkehr nicht ohne weiteres ein Fahrrad mitführen. Wir sind sogar mal mit unseren Fahrräder beinah des Zuges verwiesen worden, obwohl es ein Fahrradabteil gab.

Früher habe ich die Niederländer für ihre schönen und großzügigen Supermärkte bewundert. Vor fünfzehn Jahren gab es im Albert Heijn riesige Kühlregale mit Glastüren, um Energie zu sparen. Heute fällt mir allerdings auf, dass die Niederländer immer noch alles in Plastik verpacken. Das Brot, das Gemüse, Obst, alles wird in Plastik gepackt. Als hätte es in den letzten Jahren keine Diskussion um Plastikverpackungen gegeben. Während bei uns überall Unverpacktläden aus dem Boden sprießen und in Frankreich sogar Carrefour als größte Supermarktkette Unverpackt-Abteilungen hat, wird in den Niederlanden einfach alles in dünnes, transparentes Plastik gesteckt.      Auch bei der Ernährung sind die Niederländer eher wahllos. Es gibt wenig wirklich vergane oder vegetarische Speisen in Restaurants. Alles wird im Pflanzenfett frittiert (deswegen gibt es wahrscheinlich auch vegane Krokett) und trotzdem sieht man wenige übergewichtige Niederländer, während bei uns die Adipositas äußerliches Kennzeichen von Wohlstand ist und weite Teile der Bevölkerung befallen hat.

 Wenn man mit dem Fahrrad über die Osterschelde fährt, sieht man überall am Wegesrand Bauteile für Windräder liegen. Dort werden auf fünf Kilometer Länge mehr Windräder gebaut als in ganz Deutschland in einem Jahr. Die Niederlande hat eine lange Küste, viele menschenleere Gegenden und immer und überall weht Wind. Das Land der Windmühlen hat eine lange Tradition im Erzeugen von Energie aus Wind und trotzdem verbrauchen die Niederländer prozentual hauptsächlich Öl und Gas und erneuerbare Energien spielen eine untergeordnete Rolle und obwohl das Benzin mehr als zwei Euro pro Liter kostet, fahren nicht mehr Elektroautos auf den Straßen als bei uns.

 Vielleicht ist der Weg zu einer klimaneutralen Nutzung von Energie in den Niederlanden ein wenig kürzer bei uns. Aber trotzdem gibt es auch für die Niederländer viel zu tun. Vielleicht ist es nur mein subjektiver Eindruck, aber die Trägheit der Institutionen und der Menschen scheint nicht nur in Deutschland ein großes Problem zu sein.

 Nach einer Woche Erholung sind wir schweren Herzens wieder nach Hause gefahren. Ich gebe es zu: ich kann nach einer Woche keine Pommes mehr sehen und das Leben in einem kleinen Ferienhaus mit einer fünfköpfigen Familie kann anstrengend sein, insbesondere an Regentagen. Aber noch so eine Woche Urlaub hätte uns allen gut getan.

Auf der Rückfahrt gab es in Aachen noch einen kleinen Aufreger. Mit ca. 18% Akku und ca. 56 km Reichweite bin ich in Aachen angekommen. Auf dem Supermarktparkplatz war die Ladesäule belegt. Jetzt war ich doch wahrhaftig etwas nervös. Ich habe wild auf meinem Handy rumgetippt und in Googlemaps die vorher markierten Ladesäulen rausgesucht. Die nächste Ladesäule war angeblich an einer Shell-Tankstelle gleich um die Ecke.

 Die Ladesäule an der Tankstelle war zwar frei, aber leider nicht nutzbar. Wie ich nach längerem Herumprobieren herausgefunden hatte, konnte man die Ladesäulen nur nutzen, wenn man eine Kundenkarte der Tankstelle hatte.

 Beim Herumprobieren bin ich um mein Auto herum getänzelt, habe das Ladekabel rein und rausgesteckt und mit der Shellkarte herumhantiert.

 Ein Mann sprach mich an und fragte mich, ob ich lange laden müsse. Seine Verwandten aus Berlin müssten unbedingt ihr Auto laden, um nach Hause fahren zu können. Die Ladesäulen der Strawag, dem regionalen Versorger, seien alle ausgefallen. Mist, das waren die Ladesäulen, die ich als nächstes anfahren wollte. Während ich kurz Schnappatmung bekam, fragte er mich noch, wie das denn mit den Ladesäulen funktioniert. Okay? Wie sind diese Menschen mit ihrem Auto von Berlin hierher gekommen, wenn sie nicht mal wissen, wie das Laden funktioniert?

 Etwas zittrig habe ich mich ins Auto gesetzt und meine Tochter hat mich gefragt, ob wir jetzt noch nach Hause kämen. Um keine Panik aufkommen zu lassen, habe ich die Eco-Taste gedrückt und bin langsam vom Tankstellenhof runtergerollt, um den Weg zu den Strawag-Säulen zu suchen.

 Rund um die Verwaltung der Strawag gab es laut der App mindestens 10 Ladesäulen. Als wir dort angekommen waren. habe ich sofort eine freie Säule gefunden. Ein Sprinter hatte zwar schon den Chademo-Anschluss in Beschlag genommen, aber mein Typ2-Anschluss war noch frei.

 Die Zoe war schnell angeschlossen und doch ging es mit dem Laden nicht los. Das andere Fahrzeug hatte alle Ladekapazität in Beschlag genommen und ich war jetzt sozusagen in der Warteschlange.

 Ich wollte jetzt nicht den ganzen Tag in Aachen verbringen und darauf warten, bis der Sprinter vollgeladen war. Also bin ich mit meiner Tochter losgezogen und habe die Lage gecheckt. Wir haben nach einem Fußmarsch von zwanzig Minuten herausgefunden, dass die meisten Ladesäulen auf dem Gelände der Strawag dem Personal der Strawag vorbehalten waren. Auf der Hälfte der Strecke haben wir uns in einem Aldi etwas zu Essen geholt und sind zurückgelaufen und als meine Tochter mich überreden wollte, dass wir doch lieber nochmal weiter fahren sollten und ich total unentschlossen war, habe ich auf dem Kundenparkplatz der Strawag noch eine freie Ladesäule gesehen. Wir sind zu unserem Auto zurückgeeilt und gerade als ich den Stecker ziehen wollte, sehe ich auf dem Display, dass meine Zoe schon geladen wird. Erleichtert haben wir uns an der Haltestelle in der Nähe einen Bus in die Innenstadt gesucht und haben uns im Starbucks in der Nähe des Aachener Rathauses die Zeit vertrödelt, sind bei einem Asiaten Essen gewesen und haben ein wenig die Stadt erkundet.

 Nach zwei Stunden sind wir wieder weiter gefahren und abends waren wir gegen 19 Uhr zu Hause. Meine Frau und die beiden anderen Kinder sind mit dem Zug zurückgefahren. Diesmal hatte meine Frau sich eine andere Strecke herausgesucht und in s`Hertogenbosch mit den Kindern Mittagspause gemacht, um dann pünktlich nach Deutschland zu kommen. Diesmal hatte alles ohne Verzögerung geklappt und kurz nach dem wir nach Hause angekommen waren, habe ich die Drei am Bahnhof abgeholt.

 Der Urlaub lässt nur ein Fazit zu. Auch mit einem E-Auto kann man in den Urlaub fahren. Man braucht ein wenig Planung, ein wenig Mut zur Lücke, einen Plan B im Kopf und die Bereitschaft, sich auf die neue Situation einzulassen.

Mijn eerste reis met de elektrische Auto… Teil 2 Die Reise

Am letzten Schultag vor den Ferien sollte es losgehen. Um kurz nach elf waren alle Kinder aus der Schule gekommen und ich konnte losfahren. Im Auto nehme ich meine dreizehnjährige Tochter, meinen sechsjährigen Sohn und unseren halben Hausstand mit. Meine Frau und meine zehnjährige Tochter stiegen fast gleichzeitig in den Zug von Wetzlar nach Frankfurt, um anschließend mit dem ICE nach Amsterdam zu reisen und von dort über Rosendahl mit dem Regionalzug die Endstation in Middelburg zu erreichen. Ich sollte mit dem Auto ca. eine Stunde früher in Oostkapelle ankommen, den Schlüssel für das Ferienhaus in Empfang nehmen und das Gepäck entladen und dann die beiden rechtzeitig gegen 19.30 in Middelburg abholen. Klingt nach Stress und straffer Zeitplanung und dabei sind Staus und Zugverspätungen noch nicht einmal berücksichtigt.

 Deswegen hatte ich mit meiner Frau ausgemacht, dass wir uns immer wieder per WhatsApp auf den neuesten Stand bringen.

 Wir brettern mit Tempo 100 über die Sauerlandlinie und bis zum Autobahnkreuz Olpe Süd kann man auch nicht schneller fahren, denn es reiht eine Baustelle an der anderen. Ich habe meinen Tempobegrenzer auf 110 gestellt, um den Akku meiner Zoe (jetzt erstirbt mein verliebtes Quietschen schon in einem stimmlosen Quieken) zu schonen und kann auf der rechten Spur bequem bis zur A4 spazieren fahren. Auf der A4, die zweispurig bis nach Köln führt, kann ich mich nicht immer an meine Regel halten. Wenn ich einen LKW überhole, kommen von hinten Fahrzeuge mit höherer Geschwindigkeit herangeprescht und drängeln. Also schiebe ich den Begrenzer manchmal hoch auf 120.

 Ca. 15 Kilometer vor Köln wird der Verkehr immer dichter und an der ersten Ausfahrt zu den Kölner Vororten bahnt sich der erste Stau an.

 Meine Frau hat uns die erste Nachricht geschickt. Per Apple Car Play bekomme ich ihre WhatsApp-Nachrichten vorgelesen und kann Siri meine Antwort diktieren. Das ist alles so verdammt schick in meiner ZOE. Als ich den Inhalt der Nachricht verstehe, wird aus dem Quieken ein panisches Krächzen.

 Der ICE nach Amsterdam ist ausgefallen. Sie muss mit einem anderen ICE nach Düsseldorf und kann dort erst wieder in einen ICE nach Amsterdam. Typisch deutsche Bahn, schimpfe ich und sehe im gleichen Moment, die Warnblinker vor mir angehen. Ich stehe im Stau. Bis wir Köln hinter uns lassen können, zuckeln wir in Schrittgeschwindigkeit über das Autobahnkreuz. Mein Akku hat seit Olpe nicht mehr als 15 % hergeben müssen und steht jetzt bei beeindruckenden 70% Prozent. Vielleicht sollte ich bis Aachen einfach weiter im Schritttempo fahren.

 Der Verkehr hinter Köln mäandert so vor sich hin. Angesichts der Verkehrsdichte könnte es aber zu stauauslösenden Verstopfungen auf der Autobahn kommen. Es passiert nichts dergleichen und gegen vierzehn Uhr erreichen wir Aachen. Wir verlassen Autobahn und biegen in die Krefelder Straße ein. Mein Zielort, ein Supermarkt, liegt hinter dem Fußballstadion Tivoli und zu meiner Überraschung ist die Ladesäule frei. Ich bin bei ca. 30 % Akkuladung und könnte noch ca. 80 Kilometer weit fahren. Ich hänge meine ZOE (Während ich den Stecker in sie hineinschiebe, streichle ich zärtlich ihr metallicblaues Blech und seufze sanftmütig) an die Ladesäule und stelle überrascht fest, dass sie die Karte meines heimischen Energieversorgers annimmt. Diese Ladung kostet mich nichts extra.

 Meine Kinder und ich stromern ein wenig umher, laufen am Fußballstadion vorbei in das Industriegebiet, Essen bei Subway zu Mittag, laufen wieder zurück, holen Nachtisch im Supermarkt und warten neben dem Auto sitzend auf die Meldung, dass der Akku zu 100% geladen ist. Als wir weiter fahren ist es ca. 16.30 Uhr. Wir sind im Plan! Eigentlich sollten wir gegen 19 Uhr da sein.

 Ich hatte schon bei Google-Maps reingeschaut und mit Schrecken festgestellt, dass bei Antwerpen ein riesiger Stau auf uns wartet. Antwerpen ist das Nadelöhr auf jeder Fahrt nach Zeeland. Ich kann mich an keine Fahrt erinnern, an der wir dort nicht im Stau gestanden haben. Trotzdem zeigt er mir eine Fahrtzeit von drei Stunden an.

 Meine Frau ist mittlerweile in Düsseldorf in den ICE gestiegen und fährt nach Amsterdam. Der ICE ist supervoll. Natürlich hat sie nur Plätze im ursprünglichen ICE reserviert und muss jetzt sehen, wo sie ein Platz findet. Sie ist wohl untergekommen, macht sich aber lustig über einen sechsjährigen Jungen, der mit seiner Verhaltensstörung den Großraumwagen aufmischt.

 Unser sechsjähriger Junge zeigt auf der Rückbank auf der Autobahn in Belgien eine deutliche Verhaltensveränderung, die sich durch nervige Selbstgespräche äußert und dazu führt, dass ich auf Spotify Märchen-Hörspiele raussuche, um ihn ruhigzustellen.

 Spätestens bei Frau Holle verstummt er und lauscht versonnen den üblichen Grausamkeiten der Märchenwelt.

 Auf der Stadtautobahn in Antwerpen eskaliert die Situation. Ich freue mich zwar riesig über den Stand meines Akkus, der sich irgendwie um die 75% bewegt und bis zum Ende des Staus die siebzig Prozent nicht unterschreitet. Eine erstaunliche Leistung, wenn man überlegt, dass wir vorher quer durch Belgien gefahren sind. Aber das ständige Anfahren und Bremsen führt zu Krämpfen in meinem rechten Fuß. Und hinter mir sind die Brummifahrer ständig am Hupen. Mindestens zweimal trennen uns nur ein paar Zentimeter von einer Katastrophe, weil hinter mir ungeduldige Autofahrer sich rücksichtslos irgendwo dazwischen drängen. Und dann diese nervige Märchengrütze. König Drosselbart: die Zähmung einer stolzen und übermütigen Frau, voll frauenfeindlich!!! Erst als wir die Hafenausfahrt erreichen, entspannt sich die Situation.

 Wir verlassen Antwerpen und Belgien und fahren in die Dämmerung hinein. So wie es aussieht, verzögert sich unsere Ankunft um ca. eine Stunde.

 Fast gleichzeitig meldet meine Frau, dass sie im Zug nach Rosendahl gemerkt hat, dass der Zug gar nicht nach Rosendahl fährt. Man hat ihn einfach in eine andere Stadt umgeleitet. Meine Frau ist rechtzeitig ausgestiegen und hat auch schon eine andere Verbindung gefunden, die sie nach Rosendahl und dann nach Middelburg bringt. Voraussichtliche Ankunftszeit 20.30 Uhr. Es hat sich also alles wieder zurcht gerüttelt.

 Gegen 20 Uhr sind wir in Oostkapelle. Ich besorge Schlüssel unseres Ferienhauses und räume das Gepäck schnell aus. Mittlerweile bin ich ziemlich erschöpft und dünnhäutig. Ich reiße mich aber zusammen und um 20.25 parken wir auf dem letzten freien Parkplatz vor dem Bahnhof in Middelburg. Das Parkhaus am Bahnhof wird gerade saniert und es gibt nur vor dem Bahnhof ein paar Kurzzeitparkplätze.

 Am Bahnsteig erfahren wir, dass der Zug natürlich Verspätung hat. Kurz nach halb neun kommt meine Frau und Tochter an. Im Auto auf der Fahrt nach Oostkapelle ziehen wir ein Resümee. Wer war jetzt besser dran? Das Zugfahren in den Niederlanden ist genauso eine Zumutung wie das Zugfahren in Deutschland. Meine Frau berichtete von Ekelabteilen und Regionalzügen in den die defekte Toilette den halben Wagon mit Brackwasser überschwemmte. Ich bin die gleiche Strecke vor ca. zehn Jahren mit dem Zug gefahren und es war perfekt. Keine Verspätung, Sitzplatz in allen Zügen, kein defekten Toiletten, überall W-Lan. Entweder war das Zufall oder die niederländische Bahn hat sich der Deutschen Bahn angeglichen.

 Letztendlich die lange Reise mit dem E-Auto auch nicht anstrengender als jede andere Reise mit dem Auto. Meine Strategie, nur eine lange Pause einzulegen, hat funktioniert. Ohne Stau geht es nicht und das zeigt wieder mal, dass jedes Auto auf der Straße ein Auto zu viel ist. Allerdings ist das Bahnfahren nicht wirklich attraktiver, wenn man sich nicht sicher sein kann, dass man am Zielort überhaupt ankommt. Als Fazit bleibt: auch heutzutage können Reisen in Mitteleuropa zu Mikroabenteuern werden. Und danach hat man wirklich einen ausgiebigen Urlaub nötig. Ich gehe mit 20 % und ca. 70 Kilometer Reichweite ins Bett und schlafe ca. neun Stunden durch.

Mijn eerste reis met de elektrische Auto… Teil 1 – die Vorbereitung

Vor drei Wochen bin ich in ein Mikroabenteuer gestartet: Die erste Urlaubsreise mit meiner Zoe (wenn ich Zoe sage, quietsche ich wie meine dreizehnjährige Tochter, die sich über irgendwelche Likes bei TicToc freut), dem mit Elektromotor angetriebenen in blaumetallic lackierten Blechhaufen, der seit Mai vor meinem Haus parkt.

Warum Abenteuer und warum Mikro? Als Kartoffel gehe ich immer vom Eintreten einer Katastrophe aus. Ich habe einen Akku in meinem Auto, der spätestens alle 250 Kilometer an einer Ladesäule aufgeladen werden muss. Wobei es bei den 250 Kilometern nur um eine Schätzung handelt. Je nach Geschwindigkeit, Beschleunigung, Außentemperaturen usw. kann sich diese Kilometerleistung noch deutlich verkürzen. Und was ist, wenn ich dann keine Ladesäule finde? Und das ist sie schon: DIE KATASTROPHE!!!!

Der Bruder eines guten Freundes fährt schon sehr lange Elektroautos. Zuerst fuhr er einen E-Golf mit einer Reichweite von 180 Kilometern. WV gab damals das Versprechen ab, Fahrzeuge bis zu dreimal im Jahr kostenlos zur nächsten Ladesäule zu schleppen, wenn der Akku leergelaufen war. Meine ZOE (verliebtes Quietschen) hat eine offizielle Reichweite von 310 Kilometern.   Als mir der Bruder meines Freundes die Geschichte anvertraute, ist mir trotzdem das Herz in die Hose gerutscht. Es war so tief in die Hose gerutscht, dass mir der Mut abhandenkam, um ihn zu fragen, ob er denn jemals abgeschleppt worden sei.

Ein anderer Freund mit ausreichend Erfahrung im Elektroautogame (er fährt schon seit längerem einen Tesla), sprach mir gut zu und empfahl mir, mit der App A Better Routeplaner meine Reise vorzubereiten.

Allerdings hat er mir verschwiegen (als Teslafahrer hat man das Problem wahrscheinlich nicht), dass die App mir zwar unzählige Ladesäulen anzeigt, die meinen langen Weg ins Ausland säumen, ich die wenigsten aber nutzen kann, weil mir die passende Ladekarte fehlt.

Also habe ich mich zu allererst über Ladekarten informiert. Ich hatte bis dato nur eine Ladekarte und zwar die meines regionalen Versorgers, die mit 25 EUR Flatrate monatlich so was von günstig ist, dass ich es kaum glauben konnte.

Meine Internetrecherche zu Ladekarten war ernüchternd. Es gibt unzählige Anbieter, die alle versprechen, dass man sie einfach nur an eine Ladesäule halten muss und schon fließt der Strom durchs Ladekabel. Das ist wie immer nur die halbe Wahrheit. Es hat ein paar Abende, die ich im Internet herumsurfen musste, gedauert, um zu verstehen, dass ich mir noch zwei Ladekarten besorgen sollte: einmal die Karte von EnBW und die von Shell.

Sie haben richtig gelesen! Shell, der böse Ölkonzern, hat vor ein paar Jahren ein Ladesäulenstartup gekauft und in den Niederlanden für ein einheitliches Ladekartensystem gesorgt. Mit einer Ladekarte der gelben Muschel auf roten Grund stehen einem alle öffentlichen Ladesäulen aller Anbieter zur Verfügung. In Deutschland ist man davon noch sehr, sehr weit entfernt. Wenn man sich damit beschäftigt, bekommt man den Eindruck, dass wir Kartoffeln einfach auf fragmentierte Kleinstaatenlösungen stehen und dass dann als Fortschritt begreifen. EnBW hat als einer der wenigen Anbieter eine weit gediehene Infrastruktur und gerade die Ladesäulen an Autobahnraststätten scheinen alle mit der EnBW-Karte klar zu kommen.

Die beiden Ladekarten waren bei mir nach einer Woche eingetrudelt. Zu jeder Ladekarte gibt es eine APP in der man sich und seine Karte registrieren muss. Seitdem ich meine ZOE (sanftmütiges Quietschen) besitze, hat sich die Anzahl der APPs auf meinem Iphone gefühlt verdoppelt. Sogar meine ZOE (ich quietsche, als würde mir Zoe verliebt den Nacken kraulen) hat eine eigene App. Da kann ich morgens nach dem Aufstehen im Winter sofort die Fahrzeugheizung aus der Ferne anschmeißen und eine Stunde später ins warme  Auto steigen. Ich bin gespannt, wie viel Prozent Akku-Leistung sich dabei in wohlige Wärme auflösen.

Mit den Ladekarten konnte ich nun die konkrete Streckenplanung beginnen. Die App A better Routeplaner gibt es in eine vollkommen ausreichende kostenlose Version. Für die Berechnung der Route kann man viele Faktoren mit einbeziehen und das verheißt ein möglichst genaues Ergebnis.

Ich sollte drei Mal zum Laden anhalten und jeweils eine halbe Stunde laden. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Als ich mein Auto gekauft hatte, habe ich mir im Vorfeld einige Videos auf Youtube zu dem Thema Reisen mit Elektroauto angeschaut und jedes Mal ging es darum, durch optimierte Ladevorgänge ein paar Minuten zu sparen.

 Das Laderegime beruht auf der These, dass die letzten zwanzig Prozent Akkuleistung die gleiche Zeit in Anspruch nimmt als die ersten Achtzig Prozent (Paretoregel: funktioniert immer!). Also versucht man irgendwie sich bei dem Akkustand immer zwischen 10 und 50 Prozent zu bewegen und den Akku nicht voll zu laden.

 Diesem Regime wollte ich mich nicht unterwerfen. Wir sind in unserer Familie fünf Personen (drei Kinder und zwei Erwachsene) und meine ZOE (ein wehmütiges leises Quietschen) ist ein Kleinwagen mit beschränkter Kofferraumkapazität. Meine Frau war schon im Frühjahr auf die Idee gekommen, dass sie und eine meiner Töchter mit dem Zug nach Oostkapelle fahren und ich, meine große Tochter und mein Sohn in der ZOE (ein gehauchtes kaum hörbares Quietschen) fahren und das Gepäck mitnehmen.

 Es sollte so ein interner Familienwettbewerb der Mobilitätskonzepte werden. Zug gegen Auto!!!! Sehr spannend!!! Wurde es auch! Aber dazu später mehr.

 Wir fahren im Schnitt jedes zweite Jahr in die Niederlande in den Urlaub und bisher hatten wir sehr gute Erfahrungen mit langen Pausen gemacht, die wir zumeist auf der Hälfte der Strecke nahe der Grenze einlegen.

 Für die Kinder und auch uns Erwachsene hat sich das bewährt. Wir machen in irgendeiner Stadt Halt, suchen uns ein nettes Plätzchen, essen etwas und streifen ein wenig umher. So nach anderthalb Stunden geht es dann weiter.

 Also bot es sich für mich an, an der Grenze den Ladevorgang mit der üblichen langen Pause zu verbinden. Bis zur Grenze sind es von uns aus ca. 220 Kilometer. Mit einem vollen Akku hätte ich also noch genügend Kapazität um in aller Ruhe nach einer Ladesäule zu suchen.

 Ein Halt in Aachen bot sich an. Ich war schon mehrfach in Aachen und kannte die Innenstadt. Ich nutzte den Routenplaner  auf der Website Goingelectric.de, folgte der Autobahn und suchte die Abfahrt in die Innenstadt. Ich entdeckte die Ladesäulen entlang der Krefelder Straße, die in die Innenstadt führte. Zwei Ladesäulen befanden sich direkt an der Autobahnausfahrt. Einen Kilometer weiter gab es Ladesäulen an einem Supermarkt, in der Nähe lag ein Gewerbegebiet mit weiteren Einkaufsmöglichkeiten und den üblichen Fastfoodbuden. Im Umkreis von zwei Kilometern gab es eine Shell Tankstelle mit Ladesäule und den örtlichen Energieversorger mit unzähligen Ladesäulen. Es konnte also nix schief gehen.

 Drei Tage vor der Abreise habe ich  in GoogleMaps auf meinem Handy ganz viele Orte mit Ladesäulen in einer Liste gespeichert. Notfallsäulen in Köln, die Krefelder Straße in Aachen, in den Niederlanden an der Strecke mehrere Säulen an Shell-Tankstellen und in Goes an einem MC-Donalds.

 Als ängstliche Kartoffel musste ich mich tausendfach absichern. Ich konnte ein Tag vor der Abfahrt nicht mehr richtig schlafen. Ich habe anstatt Schäfchen Ladesäulen gezählt und bin trotzdem nicht eingeschlafen. Was, wenn ich scheitere und mein Auto mit leerem Akku liegenbleibt…..

Zwischenstand

In den letzten ca. 10 Wochen habe ich mich aufs Schreiben konzentriert. Der zweite Teil meines Romans nimmt langsam Gestalt an. Ich war fleißig und habe ca. 90 Seiten geschrieben. Angesichts der Tatsache, dass ich nur am Wochenende wirklich zum Schreiben komme, bin ich sehr zufrieden mit dem Ausstoß an Material.

Im Laufe der Jahre habe ich mir angewöhnt, erst einmal Masse zu produzieren. Ich muss in die Geschichte eintauchen, ein Gefühl für Setting und den Plot bekommen. Ich halte mich zwar an meinen Plan und folge dem Leitfaden, den ich mir mit meinem Exposee gegeben habe, trotzdem probiere ich erst einmal viel aus und produziere mitunter viel Ausschuss.

Die ersten siebzig Seiten sind mir sehr leicht von der Hand gegangen. Das Schreiben hat mir Spaß bereitet. Samstags und Sonntags Nachmittag habe ich im Schatten an meinem Schreibplatz gesessen, Kaffee getrunken, eine Zigarre geraucht und einen Satz nach dem nächsten aneinander gereiht . Aber dann stoppte der Schreibfluss und ich saß oft vor dem Bildschirm meines Laptops und wusste nicht mehr weiter. Wenn ich lieber im Internet surfe, anstatt zu schreiben, weiß ich, dass ich eine Pause machen muss. Ich versuchte einen bestimmten Teil der Geschichte zu Ende zu bringen, um später dort wieder anknüpfen zu können.

Genauso wie der Sommer verabschiedet sich langsam die Inspiration und ich brauche ein paar Wochen Pause, in der ich den Text neben hinlege und ihn reifen lasse, wie einen guten Wein. Meine Frau und ich renovieren gerade unsere Küche und Wohnzimmer. Das kommt mir gelegen. Wir fahren in zwei Wochen in die Niederlande in den Urlaub und wahrscheinlich ereilt dort wieder die Lust, mich mit meinem Text auseinander zu setzen und danach mit der ersten Korrekturrunde zu beginnen.

Außerdem hat mir meine Frau hoch und heilig versprochen (ich hoffe, sie hatte die Finger nicht hinter dem Rücken gekreuzt), meinen letzten Roman, den ich im Frühjahr fertig gestellt hatte, endlich zu lesen. Wahrscheinlich haben wir dann viel zu bereden und so ergeben sich wieder neue Ansätze, Themen und Ideen für den neuen Text….es bleibt spannend.

Ihr Anliegen mit der Nr. 94790879 vom 14.08.2021

Meine persönliche Verkehrswende sollte nicht beim Kauf eines Elektroautos enden. Mein langfristiges Ziel ist es, ganz auf den Besitz eines eigenen Autos zu verzichten. Alleine die Herstellung von Autos, egal ob Elektro- oder Verbrenner, ist eine riesige Umweltsauerei. Ich setze also auf den öffentlichen Nahverkehr, gehe kurze Strecken zu Fuß oder fahre mit dem Fahrrad und nutze für den letzten Kilometer ein E-Scooter.

 Ich wohne, wie ich schon öfter erwähnt habe, inmitten der Stadt.  Die meisten Wegstrecken, die ich zurücklege, betreffen meinen Weg zur Arbeitsstelle. Ich arbeite in Aßlar, einem Nachbarort von Wetzlar, der ca. fünf Kilometer von meinem Zuhause entfernt liegt. Aßlar ist eine Kleinstadt und durch die Vororte der Stadt mit Wetzlar direkt verbunden. Man fährt auf geradem Wege durch die zwei Stadtteile Niedergirmes und Hermannstein und ist schon am Zielort. Alle halbe Stunde fährt ein Bus oder Zug von Wetzlar nach Aßlar. Die Buslinie 200, fährt pünktlich um acht am zentralen Busbahnhof ab, der neben den Bahnhof zentral in der Innenstadt liegt. Der Bahnhof ist anderthalb Kilometer von meinem Haus entfernt. Zufälligerweise passt das genau zu meinem Arbeitsbeginn. Um 8.08 Uhr bin ich in Aßlar, 8.12 Uhr bin ich auf der Arbeit. Der Heimweg ist ähnlich komfortabel. Stündlich fährt der Bus zurück nach Wetzlar. Wenn das mal nicht passt, kann ich auf den Zug ausweichen. Na da sollte die persönliche Verkehrswende sich doch flugs umsetzen lassen, oder?

Ich habe ein paar Tage gebraucht, um zu realisieren, was der Verzicht aufs Auto nun für mich bedeutet. Es fühlt sich ein wenig an, als entwöhne man sich von Süßigkeiten. Nie wieder Schokolade! Eine Welt bricht zusammen und der Schmerz ist groß. Aber ich bleibe tapfer, denn mit meiner persönlichen Verkehrswende kann ich dazu beitragen, dass die Welt ein besserer Ort wird. Dazu bedarf es nun einmal erhebliche persönliche Opfer. Ich habe von Leuten gehört, die schon immer mit dem Bus zur Arbeit fahren. Das liegt jenseits meiner Vorstellungskraft. Was sind das bloß für tapfere Zeitgenossen. Um mich von meinem Schmerz abzulenken, habe ich mich der neuen Herausforderung angenommen und sie Generalstabsmäßig geplant. In meinem Kopf habe ich eine Liste geschrieben, um die Operation Busfahren erfolgreich gestalten zu können. Ich habe nichts dem Zufall überlassen.

 Ein paar Tage später war es dann soweit: Ich stehe im Jackett, Hemd und Chinohose (meiner Arbeitskleidung) vor unserem Haus auf der Straße, setze meinen Fahrradhelm auf, kontrolliere, ob er gut sitzt, ziehe mir meinen Rucksack über die Schulter, in die ich eine Mahlzeit, ein Getränk und Lektüre für die Mittagspause gepackt habe, stellte mich auf meinen E-Scooter, mache einen Schulterblick und düse über die Straße in Richtung Bahnhof.

Ich bin Kartoffel durch und durch. Ich gehe immer auf Nummer sicher, habe  immer einen Plan B und ich bin so was von pünktlich. Mir unterlaufen niemals Fehler und wenn, dann sind die anderen Schuld.

Um 7.40 Uhr verlasse ich das Haus und um 7.48 stehe ich an der Bushaltestelle. Der Bus fährt laut Fahrplan um acht Uhr ab. Meinen E-Scooter habe ich zusammengeklappt und trage ihn mit der einen Hand und  in der anderen Hand halte ich das abgezählte Geld für die Tageskarte bereit. Den Fahrradhelm kann ich nicht abziehen. Im Bus kann man sich nicht anschnallen. Da kann der Helm bei Unfällen wenigstens ein wenig Schutz bieten. Um 8.03 Uhr fährt der Bus an die Haltestelle. Ich bin jetzt schon klatschnass geschwitzt und genervt. Wenn 8.00 Uhr auf dem Fahrplan steht, dann hat der verdammte Bus um acht Uhr zu erscheinen.

 Der Busfahrer erschrickt, als ich den Bus betrete. Er hat mich nicht erwartet. Ich bin der einzige Fahrgast an diesem Morgen. Er zählt mein Kleingeld nach, gibt mir das Ticket und ich gehe auf meinen Platz. Der Busfahrer brüllt  mir hinterher, dass ich ihm nur ein zwei-Cent anstatt einem fünf-Cent Stück gegeben habe. Das kann nicht sein. Ich habe mein Kleingeld fünfmal nachgezählt. Es lag schon gestern abgezählt auf meinem Nachtisch. Sonst hätte ich nicht schlafen können. Ich bin frustriert und sauer. Dieser Busfahrer hat echt Nerven. Drei Minuten später kommen und dann mir auch noch unterstellen, drei Cent zu wenig bezahlt zu haben. Ich rücke meinen Fahrradhelm zurecht und gehe widerwillig zum Busfahrer. Leider hat er Recht. Ich suche verzweifelt nach einem fünf-Cent-Stück in meinem Geldbeutel und als ich sie finde, gebe ich sie widerwillig her. Es ist 8.05 Uhr, wir fahren endlich los.

Während wir auf der breiten Straße durch die Vororte von Wetzlar rasen, rege ich mich darüber auf, dass ich der einzige Fahrgast bin. Bin ich wirklich der einzige Trottel, der morgens mit dem Bus zur Arbeit fährt? Ich kann mich nicht entspannen, sitze mit aufgezogenem Rucksack auf der Kante meines Sitzes und halte mit den Füßen den E-Scooter fest, der, wenn der Busfahrer die Kurven scharf anfährt, ins Rutschen gerät. Ich bin so froh als der Bus ohne weitere Pannen endlich die Bushaltestelle in Asslar erreicht. Ich vermisse jetzt schon mein klimatisiertes Auto.

 Am nächsten Tag fahre ich wieder mit dem Bus zur Arbeit. Die Aufregung nimmt langsam ab. Routine stellt sich ein und weil ich besonders mutig bin, nehme ich mir am dritten Tag vor, zu Fuß zum Bahnhof zu laufen. Ein wenig Bewegung kann nicht schaden. Allerdings ist der E-Scooter auch die Absicherung für den Fall der Fälle, wen ein Bus mal nicht kommt. Dann kann ich zumindest schnell wieder nach Hause fahren.

Entgegen meiner Kartoffelmentalität habe ich in kurzer Zeit ein gewisses Vertrauen in die Zuverlässigkeit des ÖPNV entwickelt. Mein Vertrauensvorschuss entpuppt sich als absolute Dummheit, denn ich werde auf ganzer Linie von der Linie 200 enttäuscht.

Um 8.02 Uhr ist der Bus immer noch nicht da. Das bin ich ja schon gewohnt. Um 8.03 Uhr beginnt meine Halsader anzuschwellen, denn die Linie 200  fährt die Straße runter, anstatt im Kreisel einzubiegen und die Bushaltestelle anzufahren.

 Der Bus fährt ohne mich! Ich kann es zuerst nicht glauben und erst als ich sehe, dass der Bus die Brücke nach Niedergirmes überquert, lasse ich die fürchterliche Wahrheit an mich heran. Man hat mich verarscht.  Wütend über Tatsache, dass ich meine Absicherung aufgegeben habe und nun nach Hause laufen muss, entschließe ich mich sofort, eine Beschwerde per E-Mail an die Rhein-Main-Verkehrsverbund zu schreiben. Auf dem langen Marsch nach Hause, verbringe ich die Zeit damit die Beschwerde in meinem Kopf zu formulieren.

Am Abend schreibe ich die E-Mail und bekomme, wie es sich gehört in Kartoffelland, eine Nummer zugewiesen: 94790879 Ich lerne sie auswendig.

Ich warte auf die Antwort und drücke fast jede Minute ich auf den Aktualisierungsbutton meines E-Mail Accounts. Ich male mir schon aus, welche Entschuldigungen und Entschädigungen ich für dieses mir angetane Unrecht erhalte.

Am übernächsten Tag, ich wollte gerade die nächste Beschwerdemail schreiben, um mich darüber zu beschweren, dass meine Beschwerde nicht rechtzeitig beantwortet wurde, landet die Antwort in meinem Mail-Postfach:

Wir haben die betreffende Fahrt der Linie 200 in unserem Leit- und Informationssystem (LIAS) geprüft. Die Anfahrt der Haltestelle Bahnhof/ZOB erfolgte ordnungsgemäß.

Das betreffende Verkehrsunternehmen teilt in seiner Stellungnahme zum Sachverhalt ebenfalls mit, dass der Fahrer ordnungsgemäß nach der Pause an die Haltestelle gefahren ist und seine Fahrt begonnen hat.

Wir würden uns freuen, wenn wir Sie trotz des unangenehmen Vorfalls auch zukünftig zu unseren Fahrgästen zählen dürften. Hierbei wünschen wir Ihnen gute und problemlose Fahrt.

Mit freundlichen Grüßen

Frechheit! Unverschämtheit! Ich als opferbereiter Bürger werde als Lügner verhöhnt. Natürlich werde ich nie wieder mit Eurem Sauladen irgendwo hin fahren…aber die Verkehrswende…Mein Ärger und Frust über diese fadenscheinige Antwort verhakt sich mit meinem Ansinnen, die Welt durch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbessern und führt zu einem widerlichen Disput mit mir selbst.  Was soll ich tun?  Krone zurechtrücken und wieder aufstehen. So einfach gebe ich nicht auf. Wenn ich nicht mehr mit dem Bus fahre, habt ihr Euer Ziel erreicht.

 Gestern Morgen stand ich an der Bushaltestelle und habe erst einmal den Fahrradhelm abgezogen. Die Linie 200 kam pünktlich.

Leichen im Keller

Ich  habe mir lange Zeit genommen. Mehr als zwei Monate habe ich gegrübelt und die Schreibprozess für den zweiten Teil meines Romanprojektes vorbereitet. Kaum hatte ich meinen letzten Beitrag über das Romanprojekt geschrieben, war mir wieder eingefallen, warum ich nicht weiter komme. Ich scheue den Abstieg in den Keller, in dem die Leichen liegen. Jeder Roman beruht auf den sprichwörtlichen Leichen im Keller. Man wohnt im ersten und zweiten Stock des Hauses und auch wenn man in den Keller hinabsteigt, um Wäsche zu waschen oder Getränke zu holen, wird man nicht gleich über die Leichen stolpern. Aber irgendwas sagt einem, dass es sie gibt.

 Es ist die Geschichte hinter der Geschichte, die einen Roman interessant macht (genauso wie beim Film). Der Leser fragt sich: äh! Wie kommt das jetzt zustande? Und weil er es wissen will, liest er weiter.

D.h. als Autor muss ich die Leichen in den Keller legen, die Geschichte hinter der Geschichte schreiben, den Überblick behalten und nachher in den Romantext einarbeiten. Figuren beziehen sich auf die Leichen im Keller, sie handeln, weil sie Angst haben, dass man die Leichen entdeckt und der Autor beginnt, das Geheimnis zu lüften und am Ende zeigt er dem Leser, die Stelle im Keller, wo die Leichen begraben sind.

Es gibt über den zweiten Teil ein altes Exposee, das nicht viel hergibt. Ich habe es mehrfach gelesen und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich keine einzige Zeile schreiben kann, wenn ich mich auf dieses Exposee beziehe. Es wäre wirklich die gähnende Langeweile bei mir und meinen Lesern aufgekommen.

Also musste ein neues Exposee her. Eins das offenlegt, was im Detail passiert und wer die handelnden Personen sind und warum sie so handeln, wie sie handeln. Das führt automatisch zu deren eigenen Geschichte. Jede Person in dem Roman hat natürlich einen eigenen Antrieb und einen eigenen Hintergrund und jeder ist aus einem anderen Grunde in die Geschichte hineingeraten.

Man schreibt für jede Personen einen eigenen Plot. Herkunft, Alter, Beruf, Eltern, Einflüsse all das spielt eine Rolle. Es muss das Abbild einer realen Person entstehen, die natürlich nicht real ist. Jetzt kann man nicht für ca. 10 Personen das ganze Leben erfinden und aufschreiben. Man entwirft die für den endgültigen Ablauf der Geschichte entscheidenden Momente.

Das ist eine harte Arbeit und unter Umstände sehr aufwändig. Fast so als schreibt man für einen Roman noch einen Roman. Wenn ich dreihundertfünzig Seiten Roman schreibe, schreibe ich wahrscheinlich die gleiche Anzahl im Laufe der Vorbereitung zusätzlich.

Es ist weniger eine literarische Tätigkeit, eher eine biographische. Und trotzdem müssen meine Formulierungen ausgefuchst und detailliert sein, damit ich selbst Vertrauen zu den Personen fasse. Ich muss mich immer fragen, wie glaubwürdig ist das, was ich dort schreibe. Und wenn ich alle Personen zu Trennungskindern mache und das nur beschreibe, klingt das alles sehr gehaltlos. So und so kommt aus so und so und seine Eltern haben sich getrennt, darunter hat er sehr gelitten. Ich bekomme keinen Draht zu den Personen. Mein Roman wird dann zu einer Selbsthilfegruppe für Scheidungskinder. Also muss ich mir genau Gedanken machen, was die Eltern für Menschen waren, wie es zur Trennung kam, warum das Kind (die eigentliche Romanfigur) darunter litt oder nicht litt und was es mit ihm in der Zukunft gemacht hat. Natürlich muss ich Bezug nehmen auf die Zeit und den Ort in dem das geschehen ist. Mittlerweile ist eine Scheidung normal und wenn es fünf meiner zehn Personen widerfahren ist, passt das in die Gegenwart. Schreibe ich aber eine Geschichte aus dem letzten Jahrhundert, ist es eher ungewöhnlich, dass sich Eltern getrennt haben usw. Und das ist die Hauptarbeit. Die Geschichte hinter der Geschichte muss in den Kontext passen, es muss das Panoramabild des Romanes harmonisch vervollständigen. Das braucht länger als man denkt und jedes Mal schläft mir das Gesicht ein, wenn ich daran denke, für jede Person eine Lebensgeschichte entwickeln zu müssen.

Bis zu einem gewissen Punkt strengt mich diese Arbeit unheimlich an und ich gehe ihr aus dem Weg. Aber dann plötzlich platzt der Knoten und das Panorama ist vollständig und wunderschön. Die Handlung ergibt plötzlich ganz voll selbst, Bezüge der Personen untereinander ergeben sich ganz von selbst und es fühlt sich alles sehr realistisch an.

Daher hasse und liebe ich diese Arbeit. Ich brauche diese Arbeit, um den Roman lebendig und glaubwürdig werden zu lassen. Aber ich brauche diese Arbeit nicht, um als Autor glücklich zu werden.

Nach über zwei Monaten bin ich fertig. Ein neues Exposee und eine Biographie der handelnden legen nun die Grundlage für den Text, der später veröffentlicht werden soll.

Ich habe beim Schreiben die Dateien mit Exposee und Personenbeschreibung geöffnet, um immer wieder quer zu lesen und mir einerseits Inspiration für den Weitergang der Geschichte zu holen, aber auch um den Plot im Blick zu haben.

Dabei hilft mir, dass ich in den Vorbereitung zwar detailliert zu Gange war, aber nicht alles festgelegt habe. Änderungen sind also möglich, wenn nicht sogar notwendig. Beim Schreiben ergeben sich neue Tatsachen, bessere Abläufe oder Ideen für Handlungen oder für die Personen, denen man folgen sollte, sonst macht das Leichen aus dem Keller kratzen keinen Spaß…..