Auf dem Feldberg – eine kurze Geschichte über soziale Gerechtigkeit

Der erste Schnee liegt auf den Höhen der Mittelgebirge. Bei uns unten im Tal ist es grau und nass. Oben auf dem Feldberg liegen in Gipfelnähe zwanzig Zentimeter Schnee. Bei Minusgraden und Sonnenschein überspült die erste winterliche Ausflugswelle den Gipfel des Feldberges. Viele Familien mit ihren Kindern zieht es hierher. Daneben die üblichen Verdächtigen, die sich hier auf dem Berg tummeln, Nordic-Walking-bestockte Hausfrauen, Jogger, Mountainbiker und Spaziergänger. Die Kinder nutzen alle Möglichkeiten, um den Berg hinunter zu rutschen und die Eltern stehen daneben und spüren zum ersten Mal wie der Frost sie bibbern lässt. Ich stehe mitten im Wald und lausche dem Chor heulender Kinder, die erst im Wald gemerkt haben, was es heißt, dass es verdammt kalt ist, als meine achtjährige Tochter sich wünscht, dass wir diesen Winter endlich mal in den Skiurlaub fahren. Naja, wir können uns das nicht leisten. Weder die Ausrüstungen noch die Reise an sich passt in unser Budget. Sie überlegt kurz und macht einen wahrhaft populistischen Vorschlag und hat auch gleich die passende Argumentation parat. Wir könnten doch zwei der drei Kinder, die zur Familie gehören, einfach weggeben. Sie wäre dann das einzige Kind und wir hätten dann genug Geld, um in den Urlaub zu fahren. Ich antworte: “Gute Idee! Ich wollte schon immer mal mit deiner Mutter in die USA zum Skifahren fhren, nach Aspen, oder in die Schweiz, nach St. Moritz. Das können wir dann machen, wenn wir dich auch noch weggeben.“ Sie schaut mich etwas beleidigt an und ich erkläre ihr, wie die Welt momentan zu funktionieren scheint. „Tja, wir machen es wie viele andere Menschen. Wir können behaupten, dass das Boot voll ist und wir einige Kinder loswerden müssen, damit wir endlich teure Reisen machen und das Leben genießen können.“   Meine Antwort verstört sie ein wenig, denn sie zeigt mir ihre schiefen Vorderzähne und kneift die Augen zusammen. “Oder wir können es so machen, wie es sich unter Menschen eigentlich gehört. Wir behalten alle Kinder, verzichten zwar auf teure Reisen in den Schnee und fahren einmal im Jahr mit allen ans Meer. Dort haben wir dann gemeinsam Spaß. Denn erkläre mal deinen kleinen hilflosen Bruder, warum er jetzt gerade in ein Kinderheim muss. Das Teilen unter den Menschen, so dass alle etwas davon haben, hat eigentlich Tradition bei uns. Manche nennen es soziale Gerechtigkeit.“ Meine Tochter lächelt und rennt weg. Sie hat nicht wirklich zugehört, denn sie will wie ihre Schwester, die ein paar Meter weiter schon auf dem Hosenboden sitzt, den Berg hinunter rutschen.