Stillleben Deutschland IV: Flüchtlingsunterkunft.

Früher blieben sie oft unsichtbar. Die Ausgrenzung zeigte sich in den Gebäuden, den man Flüchtlingen als Wohnraum zur Verfügung stellte. An Ausfallstraßen, in heruntergekommenen Vierteln der Stadt, alte, fast nicht mehr bewohnbare Immobilien, ehemalige Unterkünfte von Gastarbeitern, jenseits der Bahngleise, in der Nähe von Industrieanlagen, ehemalige Kasernen, abgelegen und versteckt vor den Augen des besorgten Bürgers. In den Neunzigern drängte man die unliebsamen Besucher, die man nicht eingeladen hatte, an den Rand der Siedlungen und somit an den Rand der Gesellschaft. In der Isolation sollten sie möglichst unsichtbar bleiben. Die öffentliche Meinung produzierte ein anderes Bild. Man sah überall nur noch Fremde, die in den Fußgängerzonen herumlungerten, nicht arbeiteten und nicht dazugehören wollten. Ein paar Anschläge später auf Flüchtlingsunterkünfte und Wohnhäuser von Menschen mit Migrationshintergrund und einem unsäglichem Asylkompromiss mit der im Bundestag 1993 das deutsche Asylrecht deutlich verschärft wurde, ebbte die Flüchtlingswelle ab. Danach kehrte lange Ruhe ein. Flucht und Flüchtlinge betraf uns auf wundersame Weise nicht mehr. Die alten oft baufälligen Flüchtlingsunterkünfte wurden abgerissen oder zu Spielhallen oder Wohnungen für sogenannten Harzer umgewidmet (die als Sündenböcke der Nation die Flüchtlinge ersetzten). Die anstrengenden Warnungen, dass wir eines Tages, wenn wir mit der Ausbeutung der dritten Welt nicht aufhörten, die Heerscharen die Probleme, die wir ihnen bereitet hatten, wieder zu uns zurückbrächten, wurde von einem Großteil der Menschen ignoriert.

 Bis 2015 haben uns die vielfältigen Fluchtbewegungen auf der Welt nicht interessiert. Und plötzlich waren die Menschen aus dem globalen Süden wieder da. Sie hatten weite und gefährliche Wege auf sich genommen und anfangs hatte man sie noch freundlich empfangen, um sie kurze Zeit später zur Mutter alle Probleme zu erklären. Diesmal löste man an vielen Orten das Unterkunftsproblem, in dem man unzählige Baucontainer zu Wohnräumen umfunktionierte. Man dachte, das sei billig und man könne sie einfach wieder wegräumen, wenn das Problem sich bald wieder von selbst erledigte. Der Markt für Baucontainer war bald leergefegt. Es gab keine mehr zu kaufen oder zu mieten. In Niedergirmes, vor dem ehemaligen Schlachthof hatte man ein solches Containerdorf aufgebaut, aber niemals benutzt. Nach Rechtsstreitigkeiten wurden die Container ein paar Jahre später wieder abgebaut ohne dass jemals auch nur ein Flüchtling dort untergebracht war. Da die Containeransammlungen nicht ausreichten, wurden alle leerstehenden Gebäude, ob sie nun als Wohnraum geeignet war oder nicht, zu Sammelunterkünften umfunktioniert. Leerstehende Baumärkte, Hotels, Gewerbehallen, alles wurde genutzt.  Damals entstand die Legende von den überforderten Kommunnen und Ämtern. Flüchtlinge, die vierundzwanzig Stunden in Berlin vor einer Behörde ausharren mussten, um einen Termin zu bekommen, erhitzten die Gemüter. Skurrile Possen, die natürlich auch dazu beitrugen die Auswirkungen der Flüchtlingswelle künstlich aufzublasen. Natürlich waren Ämter und Kommunen überfordert, aber nicht alleine weil viele Menschen nun die Ämter nutzen mussten, sondern auch weil der Staat jahrelang die öffentliche Infrastruktur zurückgefahren hatte. Die moderne öffentliche Infrastruktur der Bundesrepublik bestand darin, stetig einen Strom von neuen Regeln abzusondern und sich gegen die Modernisierung sprich Digitalisierung zu wehren.

 Die Zahlen gingen ab 2016 wieder zurück und die Republik musste sich andere Aufreger suchen. Seltsamerweise entwickelten sich auch die Wählerzahlen der AFD zurück und bis zur Coronakrise waren die Nörgler und Empörungswilligen leiser geworden. Dann kam Corona und der nächste Aufreger war gefunden. Und als das Virus seinen Schrecken verloren hatte, geriet man schnell wieder in seinen alten Trott. Der Krieg in der Ukraine spülte hundertausende von Menschen in die Bundesrepublik und aktivierten ähnliche Reflexe wie die Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Erst zeigte man sich solidarisch, empfing die Menschen freundlich, gab Ihnen Unterkunft und zeigte Mitgefühl. Und nach einem halben Jahr begann das Stänkern. Die Gastfreundschaft war schon zu Ende. Dann kamen noch in 2023 einige Flüchtlinge aus Afghanistan und anderen fernen Ländern dazu und eines der wohlhabendsten Länder dieser Welt stand wieder am Abgrund. Es begannen die gleichen unsäglichen Diskussionen wie in den Neunzigern und die geistigen Brandstifter erklärten Deutschland zum Weltsozialamt. Das Bundesamt für Flüchtlinge verteilt die Menschen nach dem Königsberger Schlüssel. Dieser Schlüssel hat zur Auswirkung hat, das die bevölkerungsreichsten Bundesländer die meisten Menschen aufnehmen müssen. Die Länder verteilten die zugewiesenen Flüchtlinge weiter auf die Kommunnen. Die Politik hat anscheinend aus 2015 nicht gelernt. Und trotzdem hatte man sich weiter entwickelt und die Probleme zeitnah in den Griff bekommen. Hier in Wetzlar hat man ein Festzelt, das normalerweise für ein Volksfest genutzt wurde, zur Flüchtlingsunterkunft umgewidmet. Die bierselige Kathedrale des Frohsinns wurde entweiht, weil man dort womöglich Menschen aus fremden Kulturen unterbrachte. Das war aus vielerlei anderen Gründe keine optimale Lösung, aber so hatte sich die Kommune Zeit verschafft und innerhalb ein paar Monaten hatte man Standorte für neue Unterkünfte gefunden. Die größte dieser Unterkunft hatte man bei uns um die Ecke auf dem ehemaligen Festplatz an der Bachweide errichtet. Auf dem Platz sollte eigentlich ein Erweiterungsbau der Berufsschule entstehen, die direkt neben dem Platz ihren Standort hat. Diesmal nahm man keine Container, sondern ein Zelt, belüftet und beheizt, mit einem getrennten Sanitär und Kochbereich. Mit Absicht hat man die Unterkunft in der Nähe der Innenstadt aufgebaut, damit die Flüchtlinge, die Möglichkeit hatten, ohne große Wege zu den Ämtern zu kommen und einkaufen zu können. Diesmal hatte man die Flüchtlinge nicht versteckt oder in baufällige Unterkünfte gesteckt. Die Unterkunft lag in Sichtweite des Stadions und des Rathauses und war für jedermann sichtbar. 

 Als das Zelt aufgebaut war und die ersten Menschen kamen, machten auch schon die üblichen Bedenken ihre Runden. Die Menschen hatten nichts dazu gelernt, im Gegenteil, die öffentliche Meinung bestätigte sie in ihrer Angst, dass mit den Flüchtlingen Gewalt und Kriminalität ins Viertel kam. Die Unterkunft war anderthalb Jahre bewohnt und wir haben niemals irgendeine unangenehme Situation erlebt. Die Menschen, die dort untergebracht waren, sind uns auf der Straße oft begegnet, meistens gingen sie in Richtung Stadt oder kamen aus Richtung Stadt. Zum Joggen kam ich oft an der Unterkunft vorbei. Im Frühjahr und Sommer haben sich die Menschen draußen aufgehalten, einem nett zugewunken oder angefeuert. Auf dem Sportplatz in der Nähe trafen sich Männer aus der Unterkunft regelmäßig zum Kricketspielen. Leider hat man nie näheren Kontakt zu den Menschen dort bekommen. Für die Flüchtlinge war die Unterkunft nur eine Zwischenstation. Ab dem Sommer letzten Jahres hat man deutlich gespürt, dass die Situation sich entspannt und immer weniger Menschen im Zelt untergebracht waren. Man hatte in der Zeitung angekündigt, dass man im März die Einrichtung schließt und abbaut, damit die Bauarbeiten für den Erweiterungsbau der Berufsschule beginnen können. Die Situation hatte sich zwar entspannt, aber die Diskussion um Flüchtlinge wurde immer schärfer geführt und nicht nur die AFD hat sie genutzt, sondern auch die CDU, um im Wahlkampf punkten zu können. Kurz nachdem Merz mit den Stimmen  der AFD sich seinen Fünf-Punkte-Plan zur Migration im Bundestag hat absegnen lassen, wurde die Einrichtung geschlossen. Ende März begannen die Abbrucharbeiten. Jetzt stehen nur noch unzählige Betonblöcke auf dem Gelände und alle warten auf den Beginn der Bauarbeiten für den Erweiterungsbau der Berufsschule. Es fühlt sich fast an, als hätte es die Sammelunterkunft nie gegeben.

Alle Jahre wieder….

Gestern haben sich einige hundert Menschen in Wetzlar vor dem Herkules-Center in der Bahnhofstraße versammelt, um die Demokratie zu verteidigen und mit anschließender Menschenkette, die ungefähr einen Kilometer lang vom Herkules-Center vorbei am Stand der AFD. über Karl-Kellner-Ring und Langgasse bis über die alte Lahnbrücke reichte, zu zeigen, dass die Demokratie noch lange nicht am Ende ist.

Die „Omas gegen Rechts“ (Ortsgruppe Wetzlar) hatte eingeladen und obwohl man an diesem Tag die ganze Kraft bürgerlichen Engagements zu spüren bekam, fällt es mir schwer, optimistisch in die Zukunft zu blicken. In den letzten Jahren hat sich in Wetzlar das bürgerliche Engagement für Demokratie, Zusammenhalt, Toleranz und Vielfalt neu positioniert. Einige Gruppen, die sich um diese Themen kümmern, haben sich gegründet und zeigen mit ihrem Engagement, dass man die Stadt nur gemeinschaftlich gestalten kann und dass es ein Miteinander über alle Meinungsgräben hinweg geben muss. Rund um die Omas gegen Rechts, Wetzlar Solidarisch, Wetzlar erinnert ist viel Positives in der Stadt geschehen und trotzdem scheint es nicht zu reichen.

Letztes Jahr um die gleiche Zeit waren wir demonstrieren, weil sich Rechtsextreme in Potsdam getroffen hatten, um einen Plan für die Remigration von Asylsuchenden und Menschen mit Migrationshintergrund zu diskutieren. Die Empörung war groß…und was ist geschehen? Frau Weidel hat auf dem Bundesparteitag der AFD das Wort Remigration voller Stolz ausgesprochen und es als Teil des Programmes der AFD vorgestellt. Herr Merz, Teile der CDU, CSU, die FDP übernehmen Positionen der AFD und wollen gerne Remigration light betreiben…man denke nur mal an die Diskussion um Syrer, die nach Ende des Assad-Regimes bitte alle verschwinden sollen. Natürlich ist das ganze populistische Gebrüll rund um die Migration als Mutter aller Probleme und das Abstimmen mit AFD im Bundestag auch teil einer solchen menschenfeindlichen Programmatik.

Wenn Isabel Schayani in einer Hart aber Fair-Sendung die einzig richtigen Worte für die Misere findet, in dem sie konstatiert, dass wir mittlerweile über Menschen wie über Klappstühle reden und ihre Worte schnell untergehen, weil sich alle anderen versuchen mit ihren abscheulichen Ideen rund um Begrenzung der Migration zu überbieten, kann ich eigentlich nur davon ausgehen, dass Parteien wie die AFD uns in nicht ferner Zukunft regieren werden.

Das emsige Suchen von Sündenböcke scheint für Politiker wieder die einzige Möglichkeit zu sein, um sich zu profilieren. Natürlich ist unsere Infrastruktur vom stetigen Strom von Flüchtlingen unter Druck geraten. Aber niemand fragt mehr, warum unsere Infrastruktur darunter leidet? Wohnungsmangel, zu wenig Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, Bildungsnotstände, überforderte Behörden und Kommunen hat kein einziger Flüchtling zu verantworten, sondern die Politiker, die in den letzten zwanzig Jahren diese Entscheidungen treffen konnten.

Ich bleibe pessimistisch und trotzdem werde ich weiter an Demonstrationen teilnehmen, meine Meinung kund tun und mit Menschen, egal welche Meinung sie vertreten, im Gespräch bleiben und ich bin sehr dankbar dafür, dass es in unserer Stadt Menschen gibt, die sich engagieren und es nicht zulassen wollen, das die Demokratie nicht einfach ausblutet.

Die Deutschen – ein verrücktes Volk

Sommer 2015 – Lieber Flüchtling, Herzlich Willkommen. Frau Merkel hat gesagt, wir schaffen das. Deswegen schenke ich dir meinen alten Teddybären. Sag einfach Bescheid, wenn du etwas brauchst. Du bekommst alles von uns!

Winter 2015 – die Merkel hat die Nafris alle hergeholt, um uns auszutauschen, außerdem klauen die wie die Raben und tatschen unsere Frauen an. Die haben alle Handys, die können doch gar nicht arm sein. Du blöder Asylant, gib mir sofort den Teddybär zurück.

März 2020 – Oh ja, dieses Virus ist wirklich total gefährlich. Kanzlerin Merkel hat gesagt wir müssen solidarisch sein und jetzt zu Hause bleiben. Ist ja gut für die Alten und die Krankenhäuser. Manno, die Pfleger und Ärzte, die haben es ja eh schon so schwer. Ich stell mich mal auf den Balkon und klatsche Beifall!

Mai 2020 – Die Merkel hat uns schon wieder verarscht, unsere Freiheit wollte sie uns nehmen und das Bargeld abschaffen. Mensch ist mir doch egal, ob irgendwelche alten Omas verrecken. Runter mit der Maske! Ich will wieder shoppen gehen. Is ja schlimmer hier als in der DDR! Ich geh mal raus und klatsche ein paar Journalisten!

Uns Deutsche soll jemand mal verstehen!!!

Die Republik der beleidigten Leberwürste

Im Spiegel der letzten Woche stand es geschrieben: Herr Maaßen fühlt sich von Frau Merkel gedemütigt, weil er von ihr nicht an die Spitze des BND berufen worden sei und deswegen habe er diese Behauptungen über die Vorgänge in Chemnitz in die Welt gesetzt. In der gleichen Ausgabe war zu lesen, dass Herr Seehofer niemanden traut, weil er als junger Abgeordneter im Bundestag von den anderen Neulingen im Bundestag ausgetrickst wurde und daher höchstens Zweckbündnisse eingeht. Herr Gauland hatte damals beleidigt die CDU verlassen, weil  Frau Merkel mit der Wehrpflicht die letzte Bastion konservativer Politik einfach aufgegeben hat. Die Sachsen sind beleidigt und denken rechts, weil sie sich in der Bundesrepublik nicht genug gewürdigt fühlen. In unserer Stadt sind eine Menge Leute im Moment beleidigt, weil sie Anliegergebühren für die Straßensanierung bezahlen müssen. Die ganzen Dieselfahrer sind beleidigt, weil man ihnen das Autofahren in den Städten verbieten will, haben sie doch sich erst letztes Jahr so einen schönen Mercedes gekauft. Meine Nachbarin ist beleidigt, weil die Stadt sie immer noch nicht ernst nimmt, wenn sie gegen die Raser in unserer Straße protestiert. Viele Bürger sind beleidigt, weil der Staat das Bargeld abschaffen will. Andere sind beleidigt, weil sie nur noch Fremde überall sehen und sie Rundfunkgebühren bezahlen müssen.  Dann sind andere beleidigt, weil sie gegen Maschinen, Computer oder Messermigranten und Kopftuchmädchen ausgetauscht werden sollen. Manche sind  immer noch beleidigt, weil wir die Weltkriege verloren haben. Viele sind anscheinend beleidigt, weil sie nicht stolz darauf sein dürfen, Deutsch zu sein, aber selbst nicht wissen, was das nun heißen soll. Und dann gibt es immer noch die die beleidigt sind, weil es nachts dunkel wird und sie dann nichts sehen. Im Grund sind wir alle beleidigt, weil die Welt sich weiter dreht und wir nicht gefragt worden sind, ob wir das wollen.

 Es ist kein Wunder, dass die AFD immer mehr Zuspruch bekommt, ist sie doch die Sammelbewegung für alle beleidigten Leberwürste dieser Republik. Herr Kahrs, der bei der letzten Generaldebatte im Bundestag die AFD dermaßen beschimpfte, dass die Fraktion der AFD geschlossen den Saal verließ (sie waren beleidigt) sagte nachher in einem Interview: „Das Problem mit diesen Rechtsradikalen ist: Sie können nur draufhauen, und sonst nur mimimi.“   

Er spricht mir aus der Seele. Ich Moment gelingt es niemanden, die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrer Gesamtheit zu analysieren und noch weniger gelingt es irgendjemand ein Patentrezept gegen die latent vorhandene Katastrophenstimmung zu finden.

 Aus irgendeinem Grunde scheint das ganze Land sein Handeln nur noch nach widerfahrenen Verletzungen, Beleidigungen, Demütigungen, Herabwürdigungen auszurichten. Auffällig dabei ist, dass oft die geringsten Anlässe zu den gröbsten Ausbrüchen führen. Es regen sich die auf, die am wenigsten zu befürchten haben, während die geschundenen letzten  Glieder in der Nahrungskette, die nichts besitzen, was sie verlieren können, überhaupt keine Stimme mehr haben. Für mich ist es mittlerweile nicht mehr erstaunlich, dass eine AFD keine Politik für den kleinen Mann, den einfachen niedrig qualifizierten Zeitarbeiter machen will, sondern wirtschaftsliberale Positionen vertritt, die dazu führen, den wirklich Abgehängten noch mehr weg zu nehmen. Die Beleidigten kommen nicht aus den prekären Gesellschaftsschichten, sondern aus dem konservativen Milieu derjenigen, die merken, dass eine offene multikulturelle Gesellschaft ihren Machtstatus gefährdet. Waren sie doch bis vor ein paar Jahren das Maß aller Dinge. Oder diejenigen, die Veränderungen als Gefahr empfinden, weil ihnen auch etwas weggenommen werden könnte und wenn es der eigene Stolz ist oder das gute Gefühl, der Staat passe auf sie auf.

Der ganze Streit um Flüchtlinge, die monothematisch von Populisten und Rechtsradikale als Sündenböcke für alles und nichts dienen, führt dazu, dass wir die eigentlichen Probleme nicht mehr betrachten. Systemkritik ist angebracht, da die Ökonomisierung des gesellschaftlichen Lebens dazu geführt hat, die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu vergrößern und auch in den vermeintlich reichen Ländern dazu geführt hat, das zugunsten einer Kumulierung und Konzentration von Kapital auf einige Wenige, viele Menschen niemals eine Chance zum sozialen Aufstieg haben. Systemkritik ist dann nicht angebracht, wenn man die Schwachen zum Sündenbock macht oder sie als Masse instrumentalisiert, um sie mit völkischer Propaganda auf die Straße zu bringen.

Das Gefühl herabgesetzt zu werden, nicht genügend gewürdigt zu werden oder das schnöde Beleidigtsein hat ja immer eine infantile Note. Das trotzige Kind mit Motzmiene und verschränkten Armen sitzt in der Ecke und schmollt. Und wie wir wissen sind Kleinkinder große Egoisten. In den ersten Jahren ihres Lebens kennen sie nur sich und ihre Bedürfnisse. Sozialverhalten lernen sie erst später. Deswegen klingt für viele großgewachsene Motzkinder die völkische Ideologie wie Eis und Schokolade, Chips und Zocken kostenlos und jederzeit. Sie gieren nach einem einfachen Heilsversprechen. Es hebt doch eine Eigenschaft hervor, die man sich grundsätzlich leicht zuschreiben kann und die eigentlich kaum überprüfbar ist, weil sie schon fast virtuell anmutet. Die Volksgemeinschaft ist ein Konstrukt wie eine Religion und daher für viele leicht konsumierbar. Sie können sie selbst in den Himmel als Angehörige einer besonderen Spezies heben, die es eigentlich gar nicht gibt. Wenn sie diese Motzkinder fragen, was sie unter Deutsch verstehen, werden sie keine einhellige Auskunft bekommen. Eine allgemeine Definition ist schwer und auch eigentlich nicht gewünscht. Sowie Kinder auch alle den Weihnachtsmann unterschiedlich beschreiben und doch wissen, dass der Weihnachtsmann irgendwie an Weihnachten auftaucht und Geschenke verteilt, glauben die beleidigten Leberwürste auch daran aufgrund ihres Deutschseins das ganze Jahr über Geschenke verdient zu haben. Sie waren ja brav und immer gute Deutsche, auch wenn sie eigentlich gar nicht beschreiben können, was das brav sein im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zu einem Volk zu tun hat. Früher hatten sie einen Weihnachtsmann, der das ganze Jahr über gut auf sie aufgepasst hat. Auch er trug eine Uniform, die war  braun und nicht rot und sein Bart war auf das Wesentliche reduziert und nicht so ausladend üppig wie der des Weihnachtsmannes. Vielleicht glauben deswegen auch viele diese Volksgläubigen an die Wiederkehr ihres speziellen Weihnachtsmannes, auch wenn der eigentlich in seinem Sack nur Zerstörung und Leid bei sich trägt. Und das ist unser großes Glück. Wir haben es mit einem großen Verein von beleidigten Egoisten zu tun, die sich nur versammeln, um ihr Beleidigtsein zu zelebrieren. Solange kein Weihnachtsmann da ist, der das Heilsversprechen einlösen will und Geschenke verteilt, rutschen wir vielleicht an der großen Katastrophe und dem Tod der Demokratie vorbei.  Darauf sollten wir uns allerdings nicht verlassen. Ich überlege gerade wie ich mit motzigen Kindern umgehe. Schließlich habe ich auch einen dreijährigen Sohn zu Hause, der gerne und viel die beleidigte Leberwurst gibt. Meistens nehme ich ihn in den Arm, tröste und vermittele ihm das Gefühl, das sein Leid für mich von Bedeutung ist. Wenn er wieder lacht, lasse ich ihn los und dann ignoriere ich ihn, bis er wieder etwas findet, um beleidigt zu sein. Das könnte vielleicht eine Lösung sein….nein, vergessen sie es, das ist Mist